4. Oktober 2023 1 Likes

„Under the Waves“: Tragödie in den Tiefen des Ozeans

Atmosphärisches Retrofuturismus-Adventure im Test

Lesezeit: 3 min.

Fast könnte man übersehen, dass hier doch tatsächlich das Studio Quantic Dream um Großmeister David Cage (Beyond: Two Souls, Detroit: Become Human) als Publisher fungiert, obwohl es sich bei Under the Waves zweifelsfrei um ein Spiel des Indie-Entwicklers Parallel Studio handelt. Was sich die allerdings, wenn auch mit viel weniger Budgetpower natürlich, bei ihrem Publishingpartner abgeschaut haben, ist das Gefühl für emotionales Storytelling, das einen hier auch buchstäblich tief hinabzieht.

In Under the Waves, das seit Ende August für alle gängigen Plattformen außer Switch als Download für rund 30 Euro erhältlich ist, verschlägt es uns in eine retrofuturistische Version der späten 1970er, wo wir in der Rolle des Industrietauchers Stan für einen (natürlich nicht ganz sauberen) Ölkonzern auf Tauchgang in der Nordsee gehen. Was neben dem eigentlichen Auftrag allerdings wesentlich interessanter wird, ist die Aufarbeitung einer Familientragödie, die Stans Charakter ebenso in Beschlag nimmt wie uns – zumindest dann, wenn wir bereit sind, uns auf ein subtiles, im besten Sinne ruhiges Unterwasserabenteuer einzulassen.

Grundsätzlich steuern wir Stan entweder mit Neoprenanzug aktiv tauchend oder innerhalb des U-Bootes. Auf diesen Wegen dürfen wir die zwar nur selten überschaubare, jedoch ungemein geheimnisvoll bis wunderschön inszenierte Nordsee erkunden, um in neue Bereiche der größtenteils offenen Welt vorzudringen und dort Aufträge wie Wartungsarbeiten zu erledigen. Wie für ein Adventure üblich, liegt der Fokus in Under the Waves darauf, Gegenstände zu finden, sie richtig einzusetzen, manchmal Dialoge zu führen und auch ein wenig Crafting zu betreiben, wobei gerade letzteres mangels Komplexität eher simpel ausfällt und man überhaupt in der gut 10 Stunden langen Solokampagne selbst bei etwas umfangreicheren Rätseln, die sich über mehrere Stationen ziehen, mit etwas Genreerfahrung nicht überfordert wird.

Die Steuerung geht stets locker von der Hand und auch bei diesem Setting leicht denkbare Orientierungsprobleme werden von den Machern mittels Fokussierung und sinnvoller Hilfsmittel nahezu komplett ausgeräumt. So steht die Entdeckungsreise Stans absolut im Vordergrund und es weckt Neugier, sich auf ihn als Charakter einzulassen, obwohl die kapitalismuskritischen Aspekte der Story im Vergleich zur persönlichen Tragik der Figur vielleicht etwas zu sehr mit dem Holzhammer eingetrichtert werden. Allerdings sei das den Machern im Sinne der Botschaft auch leicht verziehen, denn wenn wir gerade draußen im Wasser unterwegs sind und stimmungsvolle Kulisse durchschwimmen, sollte eigentlich jedem mal wieder klar werden, welch kostbarer Schatz die Ozeane sind und dass es wichtig ist, sie zu schützen.

Genau hier spielt der Titel neben seiner Geschichte seine größten Stärken aus. Sind wir in den dunklen Weiten unterwegs, streuen die Macher immer wieder detailreiche Highlights ein, die uns zum Verweilen und Staunen einladen, aber ebenso symbolisch häufig für das stehen, was uns die Handlung letztlich vermitteln möchte. Denn Stans Vergangenheit holt ihn stets ein und es ist eine Kunst, die Gefühle einer Figur herauszuarbeiten, die vor der Welt buchstäblich abtauchen will, und nicht zig Dialogpartner um sich hat, die ihm diese quasi aus der Nase ziehen.

Getragen wird das alles von einem meist reduzierten, sehr pointierten Soundtrack, der optimal zur Inszenierung passt und sich folglich auch nicht überdramatisch in den Vordergrund schiebt. Technisch hätte Under the Waves allerdings durchaus noch etwas mehr Feinschliff vertragen können. So fallen neben den selbst für ein Indiespiel doch recht groben Animationen (etwa bei den Figuren) beispielsweise kleinere Bildratenprobleme auf (wir spielten auf PS4). Da Parallel Studio aber ansonsten gut gearbeitet hat und technische Aspekte in diesem Fall nicht die Atmosphäre trüben, ist dieser entschleunigte Unterwassertrip definitiv ein Tipp für Genrefreunde.

Fazit

Stimmungsstarkes Story-Adventure, das auf gelungene Art in die Tiefen der Nordsee entführt.

Under the Waves • Parallel Studio • Adventure • PS4/PS5/Xbox One/Xbox Series X/PC

Abb. © Quantic Dream

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