24. April 2024

„Silberne Geister“ von Silvia Moreno-Garcia

Ein moderner Schauerroman mit viel Horrorfilm-Nostalgie

Lesezeit: 3 min.

Silva Moreno-Garcia (im Shop) wurde 1981 in Mexiko geboren, lebt aber seit Langem in Kanada, wo sie als Autorin, Herausgeberin und Kolumnistin tätig ist. Durch ihren viel gelobten Roman „Der mexikanische Fluch“ (im Shop) verpasste sie dem klassischen Schauerroman, letztlich sogar dem traditionellen Lovecraft-Pastiche, ein überzeugendes feministisches Update. Auch in „Die Tochter des Dr. Moreau“ (im Shop), einer freien Neuinterpretation von H. G. Wells’ Science-Fiction-Klassiker „Die Insel des Dr. Moreau“ (im Shop), blieb Silva Moreno-Garcia ihrer Herangehensweise treu. Jetzt liegt ihr neuester, nach dem Material alter Filmrollen benannter Roman „Silver Nitrate“ als Silberne Geister“ auf Deutsch vor (im Shop).

Diesmal setzt die Geschichte 1993 in Mexico City ein. „Hellraiser 3“ ist gerade im Kino angelaufen, die Filmwelt noch nicht vollends digitalisiert. Die alleinlebende Montserrat, in der zweiten Hälfte ihrer Dreißiger, arbeitet als Sound-Editorin in einem kleinen Studio, mit großer Leidenschaft, aber nicht immer ohne Probleme mit ihrem Vorgesetzten oder ihren Kollegen. Auf ihren besten Freund Tristan, einen ehemaligen Seifenopern-Darsteller nach Autounfall und Karriereknick, kann Montserrat sich ebenfalls nicht vorbehaltlos verlassen. Dabei kennen die beiden sich schon ewig, verbindet sie nicht allein ihre Liebe für schwarz-weiße Horror-B-Movies. Als Tristan in ein anderes Mietshaus zieht, entpuppt sich der alte Regisseur Abel Urueta als sein Nachbar, der in den 1960ern ein paar denkwürdige Horrorstreifen in Szene gesetzt hat.

Montserrat und Tristan freunden sich mit Abel an, der ihnen von seinem berüchtigtsten, da niemals fertiggestellten Gruselfilm erzählt. Einem Horrorstreifen, der laut Abel angeblich verflucht gewesen sein soll, und den ein deutscher Okkultist mit Beziehungen zum Dritten Reich geschrieben hat – in der festen Überzeugung, dass sich seine dunkle Runen-Magie erst über den Film und die Leinwand, obendrein vor Publikum und durch die Wiederholung, so richtig entfalten könne. Abel, Tristan und Montserrat entschließen sich, den alten Zauber in der Nachsynchronisation einer Schlüsselszene des leicht entflammbaren Silbernitrat-Films zu vervollständigen. Woraufhin die Finsternis in ihren Leben auflodert, ihnen alte und neue Geister erscheinen …


Silvia Moreno-Garcia. Foto © Martin Dee Photography

„Silberne Geister“ beginnt zunächst als gutes Charakterstück: Man lässt sich nach wenigen Seiten voll auf Montserrat, Tristan, die 1990er in Mexico City und das Filmgeschäft gleich zwei vergangener Epochen ein. Wer sich ein bisschen für alte Horrorfilme zu begeistern vermag, den Reiz der Mythen und Legenden um manch eine quasi-antike Filmproduktionen nachvollziehen kann, wird beim Thema eh früh anbeißen, die unaufgeregten, fluffigen Kapitel so richtig genießen. Dasselbe gilt für die Zutaten des Okkulten und des Horrenden, die Moreno-Garcia nach relativ bekannter Rezeptur vermischt, und die mit wohldosierter Düsternis, wirkungsvollen Schauermomenten auskommen, ehe der Showdown ansteht.

In „Silberne Geister“ modernisiert Silvia Moreno-Garcia diesmal gar nicht so sehr. Sie legt schlichtweg einen modernen Schauerroman, eine gelungene Weird-Fiction-Geschichte nach klassischer Fasson vor, mit guten Charakteren sowie gefälligen Varianten bekannter Themen. So gelingt ihr im Kontext der Genre-Historie gleich mehrerer Medien ein Schmöker für Fans des urbanen Horrors von Fritz Leiber und der Barcelona-Romane von Carlos Ruiz Zafón.

Silvia Moreno-Garcia: Silberne Geister • Roman • Aus dem Amerikanischen von Frauke Meier • Limes, München 2024 • 496 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 18,00 • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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