30. Dezember 2023

„Alan Wake 2“: Der ultimative Meta-Blockbuster

Remedys Fortsetzung des Mysteryhits sprengt (fast) jeden Rahmen

Lesezeit: 3 min.

Was haben wir über die Jahre gefiebert, ob und wann die Kultschmiede Remedy (u.a. Max Payne, Control) endlich einen Nachfolger zum einstigen Xbox-Hit Alan Wake an den Start bringen würde. Schließlich zählt der Third-Person-Horrorshooter um den an Stephen King Romane angelegten Autor Alan Wake, der ein Raum und Zeit sprengendes Mystery-Abenteuer im düsteren Städtchen Bright Falls erlebt, zu den Titeln, die trotz gar nicht mal so überwältigender Verkaufszahlen auch auf lange Strecke in Erinnerung blieben.

Als es dann rund um die DLCs zum ähnlich mysterylastigen Control vor gut drei Jahren dank Gastauftritt endlich konkreter mit einer Rückkehr der Figur wurde (wir berichteten), konnte niemand ahnen, wie kurios das nun nach 13 Jahren im letzten Oktober ausschließlich digital für aktuelle Konsolen (außer Switch) und PC erschienene Alan Wake 2 tatsächlich ausfallen würde. Klar, man hatte schon aufgrund der cineastischen Trailer vorab einiges erwartet, aber eine so mindgamesprengende Wucht voller Metareferenzen in bester Tradition eines David Lynch dann doch nicht, oder?

Im Kern ist Teil 2 immer noch ein Third-Person-Shooter, der vor allem davon lebt, dass wir die schattenartigen Feinde nicht allein mit unserer spärlich munitionierten Schusswaffe, sondern meist erst mithilfe einer energiearmen Taschenlampe identifizieren und schwächen müssen, ehe sie überhaupt verwundbar sind. Allerdings liegt der Shooteranteil nun deutlich niedriger als beim Erstling und so versteht sich Alans neuestes Abenteuer eher als Adventure mit simplen Hinweisrätseln und der Erkundung atmosphärischer Umgebungen, die sich immer noch weitgehend an Bright Falls und dessen Twin Peaks-Stimmung orientieren.

An dieser Stelle könnte man nun über Schwächen des Titels wie die in Gefechten oft ungünstige Kamera, die generell schlechte Lenkung mangels Hilfen durch Gebiete und Aufgaben oder die mit der Zeit oft auch nervigen Gefechte verlieren. Das alles hat auch seine Berechtigung im Umgang mit Alan Wake 2, doch es geht völlig an dem vorbei, wofür dieses Spiel steht und vor allem warum es zu den absoluten Highlights dieses Spielejahres gezählt werden muss (wir spielten auf PS5).

Denn Remedy ist eine dermaßen grandiose Atmosphäre gelungen, die sich zurecht mit Lynchs Werk vergleichen lässt. Das beginnt etwa in der genialen Vermischung mehrerer Traum- bzw. Fiktions- und Wirklichkeitsebenen, was sich im Spiel etwa an mehreren Wechseln zwischen Spiel- und Realfilmsequenzen zeigt. Gerade letztere sind top inszeniert und zeigen beispielsweise einen verwirrten Alan Wake (gespielt von Ilkka Villi) als Gast in einer TV-Show inklusive echter Backingband, in der er von einem hintersinnigen Moderator (David Harewood) zu seinem jüngsten Werk interviewt wird, an das er sich partout nicht erinnern kann. Im Verlauf der gut 15-18 Stunden Spielzeit wird es immer krasser, was solche Momente angeht, sodass die Spielmechanik eher in den Hintergrund tritt und man völlig von der Stimmung, der Grafik, dem Soundtrack und der nächsten irren Wendung geflasht wird.

Dazu passt, dass wir hier direkt zwischen Alan und seiner Romanfigur, einem weiblichen Cop, hin und herwechseln und mittels veränderter Eingaben in einer Art Writer´s Room unmittelbar Einfluss auf die Umgebung und den Verlauf nehmen können. Man stelle sich das so vor, dass man aus verschiedenen Begriffen einfach in einer Situation auswählt, um auszutesten, was wohl passiert wäre, wenn man sich für Variante A, B, C oder D entschieden hätte. Da passt es ebenfalls gut, wenn wir mit Alan direkt seine Romanfiguren treffen, wobei diese dann vom Creative Director des Spiels Alan Wake 2 verkörpert wird (also Alex Casey).

Ja, das ist völlig abgedreht und oft total irritierend (wir sind schließlich im Horrorgenre), aber viel zu selten erlebt man Spiele, deren Inszenierung über die komplette Spielzeit so fesselt – wir haben bewusst nur angerissen, was Alan Wake 2 so alles zu bieten hat. Wer also auch nur irgendetwas mit Metaspielen, Selbstreferenzen (z. B. Stichwort Hausmeister) der Aufhebung von Logik, Physik und Wahrnehmung und eben dann doch mit Shootern anfangen kann, sollte sich diesen atemberaubenden Trip (auch trotz weiterer kleinerer Kritikpunkte wie kleineren Bugs oder der fehlenden Lippensynchro der im Grunde guten englischen Sprachausgabe) nicht nur nicht entgehen lassen, sondern ihn mit allen Sinnen einsaugen. Ein Fest!

Fazit

Inszenatorisch herausragender Psychotrip voller famoser Momente, bei dem die nicht ganz mithaltende Spielmechanik ohnehin vollständig in den Hintergrund rückt

Alan Wake 2 • Remedy Entertainment • Survival-Horror • PS5/Xbox Series X/PC

Abb. © Epic Games

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