15. Januar 2024

„Enemy“ – Bist du ein Replikant? Oder ich?

Garth Davis’ Dystopie sieht toll aus, hat tolle Darsteller – und ist doch leider egal

Lesezeit: 3 min.

Noch vor wenigen Jahren wäre ein Film wie Garth Davis’ „Enemy“ (im Original „Foe“) ein Ereignis gewesen, gut, ein kleines, aber immerhin. Denn die Zutaten stimmen: Ein interessanter Regisseur (der „Lion“ und „Maria Magdalena“ gedreht hat, den Jesus-Film mit Joaquin Pheonix, einige Folgen der Hit-Serie „Top at the Lake“ ebenfalls) dazu zwei der interessantesten jungen Schauspieler der Gegenwart, Saoirse Ronan und vor allem Paul Mescal, der demnächst durch die „Gladiator“-Fortsetzung vermutlich zum Star werden wird.

Und auch der Ansatz liest sich nicht verkehrt, auf die anfänglichen Hinweise, das in der Zukunft der Erde der Klimawandel ganze Landstriche unbewohnt gemacht hat, hätte man zwar verzichten können, denn ähnliches hat man in den letzten Jahren schon allzu oft gelesen. Im Jahre 2065 spielt „Enemy“, irgendwo in einer leeren, staubigen Landschaft. Hier leben Henrietta (Ronan), die nur Hen genannt wird, was besonders seltsam wirkt, da ihr Partner Junior (Mescal) in einer Legehennenfabrik arbeitet. Viel los ist nicht, aber das Paar liebt sich, auch wenn die Liebe nach einigen Jahren etwas zur Routine geworden ist.

Als eines Tages der mysteriöse Terrance (Aaron Pierre) vor der Tür steht, scheint sich alles zu ändern. Denn Terrance berichtet, das Junior auserwählt wurde um an der Eroberung des Weltalls mitzuwirken, um die Flucht der Menschen vor dem bald unbewohnbaren Planeten vorzubereiten. Eine Wahl hat Junior nicht, bald wird Terrance zurückkommen, um ihn mitzunehmen. Doch damit sich Hen nicht allein fühlt, wird ihr ein Ersatz zur Verfügung gestellt: Ein Replikant, der Junior wie aus dem Gesicht geschnitten ist.

Tja, nicht schlecht, aber ich würde viel darauf setzen, das so ziemlich jeder regelmäßige Leser einer Internetseite mit dem Namen diezukunft.de in diesem Moment schon eine sehr genaue Vorstellung davon hat, wohin sich dieser Ansatz entwickelt. Es ist eben auch ein Kreuz mit diesen Replikanten-Geschichten, denn wenn von ihnen die Rede ist, dann haben sie auch Gefühle, ansonsten wären sie ja wenig nützlich für eine dramatische Geschichte, und wenn da zwei Menschen in einer dystopischen Welt leben, dann … ach, man muss es nicht ausformulieren.

Umso bedauerlicher ist all das, da „Enemy“ toll aussieht, selbst auf dem Fernseher, auf dem er am Ende gelandet ist. Im Kino wäre er vermutlich untergegangen, andererseits hätte er gerade dort eine Nische finden können, zumindest wenn Garth Davis gewagt hätte, ein wenig ambitionierter zu erzählen, nicht alles zu erklären, sondern sich auf den Kern der Geschichte zu konzentrieren: Szenen einer Ehe zu zeigen, anzudeuten, wie sich ein Paar auseinanderlebt, wie die anfängliche Intensität verloren geht und der Routine Platz macht. All der Science-Fiction Überbau, das dystopische Setting spielt eigentlich keine Rolle, denn am Ende ist „Enemy“ ein Kammerspiel, in dem zwei herausragende Schauspieler alles geben, aber von einem allzu vorhersehbaren Drehbuch im Stich gelassen werden. Und vor allem davon, das Filme mit und über Replikanten oder andere künstliche Wesen es mit jedem Mal schwerer haben zu überraschen.

Enemy • Foe; USA 2023 • Regie: Garth Davis, Darsteller: Saoirse Ronan, Paul Mescal, Aaron Pierre • jetzt bei Amazon Prime

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