11. Januar 2024

„Baby To Go“ – Lahme Pseudo-Sci-Fi mit hohem Gähnfaktor

Ultraschlichte KI-Kritik, wie von einer KI geschrieben

Lesezeit: 3 min.

Der feuchte Traum eines jeden Optimierungsidioten: In Metropolen wie New York wird das Leben durch und durch von allgegenwärtiger künstlicher Intelligenz geregelt.

Rachel Novy (Emilia Clarke), die ambitionierte, gut bezahlte Führungskraft eines Technologieunternehmens, hat sich so sehr dran gewöhnt, dass gar nicht mehr groß drüber nachgedacht wird: Morgens bereitet die KI auf die Minute genau den Tee zu, der Algorithmus wählt Essen und Kleidung aus, parallel zur Arbeit wird auf dem Laufband trainiert und eine Computerstimme informiert über die Produktivitätsrate. Auch die Psychotherapie ist entmenschlicht: Ein riesengroßes Computerauge flickt die Seele wieder zusammen. Natur gibt es noch, aber außerhalb der Städte, ein Ausflug ins Grüne wird via Simulation erledigt – spart Zeit. Wer Kinder haben will, und Rachel will eins, braucht nicht mehr schwanger zu werden, ist schließlich enorm aufwändig. Ja, selbst der Sex ist nicht mehr nötig, denn das Womb Center ermöglicht eine bequeme, unaufwändige Schwangerschaft: Das Baby wächst in künstlichen Gebärmuttern, so genanten Pods, ran. Große Plastikeier, die man auf Wunsch nach Hause mitnehmen und dort verpflegen kann – was ungemein an den Tamagotchi-Hype vom Ende der 1990er-Jahre erinnert.

Rachels Mann Alvy (Chiwetel Ejiofor) ist das absolute Gegenteil: Er ist ein aus der hier aufgefächerten Zeit gefallener Naturfreund, der Sätze dieser Art absondert: „Wir betrachten die Natur nur noch als Gebrauchsgegenstand. Und seitdem ist alles in Auflösung begriffen. Es wie eine Scheidung von uns selbst. Gewissermaßen. Und das … genau das ist es und deshalb sind wir so emotional ausgehungert.“ Der Botaniker arbeitet – natürlich zum Niedriglohn – in einer Art Museum, klärt dort gelangweilte Besucher über die echte Natur auf und möchte das Kind natürlich lieber auf alterprobten Weg zur Welt bringen. Er lässt sich von seiner Frau aber dann doch breitschlagen, was zu einigen Turbulenzen führt …

Ein Kontrast also, wie er steiler nicht sein kann: Auf der einen Seite die maximal technikhörige, selbstentfremdete Frau, auf der anderen Seite der edle Baumliebhaber. Auf der einen Seite eine durchoptimierte Kunst-, auf der anderen Seite die einzig wahre Welt. „Baby To Go“ nagelt den Zuschauern die Botschaft und damit das Ende der Geschichte bereits nach wenigen Minuten ins Gehirn – natürlich wird Rachel bekehrt, natürlich heißt es am Ende back to nature.

Der Film von Sophie Barthes geriert sich als Science-Fiction, will vorausschauend sein, wird aber letztendlich nur von althergebrachten diffusen Ängsten vor Neuentwicklungen angetrieben und ist Ausdruck einer völlig zersplitterten, in sich selbst verlorenen Gesellschaft, in der es nur noch Lager, nur noch ein dafür oder dagegen gibt (siehe ebenso die erst Ende November veröffentlichte TV-Serie „Schnee“, die einen ähnliche Konflikt genauso kleingeistig behandelte). Barthes, von der auch das Drehbuch stammt, kennt nur Gut oder Böse. Alles, was war ist gut und alles was kommt, ist böse. Wie reizvoll wäre zum Beispiel der Gedanke gewesen, dass es die von Alvy beschworene Natur irgendwann mal nicht mehr gibt – dass man künstliche Intelligenz vielleicht dazu nutzen könnte, um der Natur Gutes zu tun. Dass das Ehepaar nur irgendwie – ein guter Anlass für Actionszenen – meutern, die Kontrolle über die Technik, die in dieser Welt natürlich von Megakonzernen beherrscht wird, bekommen müsste. Aber nein, es gibt nur zwei Pole, kein Zusammenfinden, keinen Kompromiss.

Mit seiner derartigen Schlichtheit hätte „Baby To Go“ als Kurzfilm vielleicht noch funktioniert, aber in diese Form werden satte 110 Minuten Lebenszeit eingefordert. Die pastellfarbenen, wirklich schicken Setdesigns trösten leider nicht drüber weg, dass das Drehbuch satte 110 Minuten auf genau einem Punkt – KI ist schlecht, gaaanz schlecht! – herumreitet, bestenfalls mild, wirklich sehr mild, lustig ist (Alvy beim Sexversuch: „Ich kann nicht, wenn der Pod hier ist.“) und man trotz der an sich ganz guten Hauptdarsteller nicht so richtig abkauft, dass das Ehepaar Novy überhaupt ein Paar ist. Zu groß ist die Kluft zwischen den beiden, zu sehr ist sie Teil der einen, er Teil der anderen Welt.

Zumindest was „Baby To Go“ angeht, kann man tatsächlich optimieren: Wenn, dann sollte man ihn wirklich auf einem Laufband gucken.

Baby To GoThe Pod Generation; Großbritannien 2023 • Regie: Sophie Barthes • Darsteller: Emilia Clarke, Chiwetel Ejiofor, Vinette Robinson, Veerle Dejaeger, Lamara Strijdhaftig, Emma De Poot, Kyoung Her • Kinostart: 11.1.2024

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