27. Dezember 2018 1 Likes 1

Außergewöhnliche Frau, 08/15-Film

„Mary Shelley“ – Wenig kunstvolle Künstler-Bio

Lesezeit: 3 min.

Bei der Filmbiografie (auch kurz und geschmeidig Biopic genannt), handelt es sich um eines der ältesten Filmgenres, aber ebenso um eines der tückischsten. Das Problem ist dabei fast immer das Gleiche: Wie gießt man ein Jahrzehnte umfassendes, ereignisreiches Leben auf adäquate Weise in einen nur wenige Stunden dauernden Spielfilm? Und wie macht man den Menschen, der porträtiert werden soll, in dieser kurzen Zeitspanne tatsächlich greifbar, dreidimensional? Eine Aufgabe, an der viele scheitern – und leider gelingt es Regisseurin Haifaa Al-Mansour, die 2012 mit ihrem Debüt „Ein Mädchen namens Wadjda“ noch eindrucksvoll zeigte, dass ihr fesselnde Porträts durchaus liegen, bedauerlicherweise ebenso wenig nicht ihr Thema, „Frankenstein“-Autorin Mary Shelley, in den Griff zu kriegen.

Es ist allein schon irritierend, dass ein Film, der angeblich die Lebensgeschichte der titelgebenden Frau erzählen will, sich erstaunlich oft den Männern widmet, vor allem Shelleys (Elle Fanning) ein wenig wie von der „Twilight“-Resterampe gehüpft wirkender Ehemann Percy (Douglas Booth) dominiert das Geschehen; selbst aus dem Off sind seine Worte zu hören, als ob es zu seiner Frau nicht viel zu sagen gibt. Und in der Tat wissen die drei Verfasser des Drehbuchs, Emma Jensen, Conor McPherson und Al Mansour selbst auch nicht so recht, was eigentlich erzählt werden soll. Denn ein großer Teil der Laufzeit geht für eine hübsch ausgestattete, aber konventionell runterinszenierte Liebesgeschichte im historischen Ambiente drauf, in der im Kerzenschein messerscharf geschliffene Dialoge aufgesagt werden, die Schreibfeder zwischendurch bedeutungsvoll auf dem Papier kratzt und, untermalt von typisch aufdringlicher Hollywood-Filmmusik, euphorische Höhepunkte, dramatische Spannungsspitzen und tragische Schicksalsschläge in schneller Folge aneinandergereiht werden.


Ein Sommer am Genfersee, der Literaturgeschichte schrieb …


… und die neckischen Episoden am Rande. „Mary Shelley“

Irgendwann wird die Lebensgeschichte mit dem künstlerischen Schaffen kurzgeschlossen (Gewitter, Spielereien mit dem Chemiekasten, Besuch einer Galvanisierungsshow = Frankenstein) und im Prinzip war’s das schon. Nicht nur, dass viel von Shelleys Leben und Wirken (die weiteren verstorbenen Kinder, das Durchstehen diverser Erpressungsversuche, die radikalen politischen Ideen, das künstlerische Schaffen abseits von „Frankenstein“) unter den Tisch fällt, auch die feministische Flamme, die in Al-Mansours Debüt lichterloh brannte, köchelt hier – obwohl sich erneut eine Frau in einer patriarchalischen Gesellschaft behaupten muss – auf Sparflamme. Dass zum Beispiel der vermeintliche Freigeist Percy sich vor allem als narzisstischer Egomane entpuppt, der seine Frau keineswegs auf Augenhöhe sieht oder wie schwer es für die Schriftstellerin war, ein Buch unter ihrem Namen veröffentlicht zu bekommnen, wird durchaus thematisiert. Es sind Momente, in denen tatsächlich eine Dringlichkeit aufblitzt, geht aber im geschmeidigen Allerlei unter.

Während Mary Shelley das Korsett der sie umgebenden gesellschaftlichen Konventionen einst überwinden konnte, bekommt man hier unweigerlich den Eindruck, dass Haidaa Al-Mansour sich dem Druck eines weitaus größeren Budgets und den damit unweigerlich einhergehenden Zugeständnissen in Richtung Kino-Konventionen beugen musste.

„Mary Shelley“ läuft ab dem 27.12.2018 im Kino. Abb.: Prokino

Mary Shelley (Großbritannien/Luxemburg/USA 2017) • Regie: Haifaa Al-Mansour • Darsteller: Elle Fanning, Ben Hardy, Stephen Dillane, Maisie Williams, Bel Powley, Douglas Booth, Joanne Froggatt, Derek Riddell, Tom Sturridge, Hugh O’ Connor, Stuart Graham

Kommentare

Bild des Benutzers Lichtecho

Der Trailer sieht aber nicht so schlecht aus. Leider läuft der Film bei uns aber in keinem Kino.

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