18. Februar 2019 1 Likes

Die Stunde der kleinen Leute

„Terra“ von T. S. Orgel liest sich so rasant wie ein inoffizielles Prequel zu „The Expanse“

Lesezeit: 2 min.

Rund 100 Jahre in der Zukunft hat sich einiges verändert: Wir haben Kolonien auf dem Mond, der Mars wird terrageformt, die Erde ist ökologisch so gut wie am Ende. Einige Sachen allerdings sind gleich geblieben: Nach wie vor müssen Waren von A nach B transportiert werden, und dafür braucht man Trucker. Die fliegen in großen, größtenteils automatisierten Konvois zwischen Mars, Mond und Erde hin und her, vertreiben sich die Zeit mit Videospielen und polieren das schmale Gehalt hie und da auf, indem sie es mit den Lieferpapieren nicht ganz so genau nehmen. Einer dieser Trucker ist Jakarta, genannt Jak, und seit er mit dem Gesetz in Konflikt geraten ist, tut er sein Bestes, um den Kopf unten zu halten. Dieses Vorhaben droht zu scheitern, als seine AVA (Advanced Virtual Assistant) Nina eine Auffälligkeit in einem der Frachtcontainer feststellt. Als Jak nachschaut, entdeckt er, dass sich darin keineswegs Erze befinden, sondern etwas anderes, und dass jemand offenbar die Schiffssensoren manipuliert hat. Bei den offiziellen Stellen will er wegen seiner Vergangenheit nicht nachfragen, also schaltet er seine Schwester Sal ein, die auf dem Mond als Space-Marshal stationiert ist. Schnell ist klar: Jak hat Bomben an Bord – ebenso wie die anderen Piloten im Konvoi. Das Ziel ist die Erde, doch wer steckt dahinter? Jemand auf dem Mars? Oder dem Mond? Während Sal den Drahtziehern Schritt für Schritt auf die Spur kommt, beginnt für den Konvoi ein Wettlauf gegen die Zeit …

Mit „Terra“ haben sich die Brüder Tom und Stephan Orgel von ihrem angestammten Gebiet der Fantasy wegbewegt und sind in Richtung Zukunft aufgebrochen, und das SF-Debüt ist mehr als gelungen. Neben jeder Menge popkultureller Easter-Eggs (etwa das Frachtschiff der Legrelle-Klasse, um nur ein Beispiel zu nennen), einem eigenen Soundtrack zum Buch und interessanter technischer Weiterentwicklungen (aus Alexa wird Nina) besticht „Terra“ vor allem mit einer schnellen, actiongeladenen und spannenden Handlung, erzählt aus verschiedenen Perspektiven, was Erinnerungen an „The Expanse“ von James Corey (im Shop) weckt – auch, weil diese Blickwinkel fast ausschließlich die der „kleinen Leute“ sind, die im alles entscheidenden Augenblick über sich hinauswachsen müssen. Das trifft nicht nur auf die Hauptfiguren Jak und Sal zu, sondern auch auf alle, die ihnen bei der Lösung dieses Rätsels zur Seite stehen: der Drogendealer Bran etwa, der Sal mit seinen bei illegalen Autorennen erworbenen Fähigkeiten das Leben rettet, oder das IT-Genie Nathan, dessen Paranoia für eine unerwartete Wendung in der Geschichte sorgt. Alle diese Personen tragen ihren Teil dazu bei, dass „Terra“ bis zur letzten Seite so fesselnd bleibt, dass man Schwierigkeiten hat, den Roman aus der Hand zu legen. Auch wenn uns Tom und Stephan Orgel im Interview verraten haben, dass sie derzeit wieder an einem Fantasy-Roman sitzen, hoffe ich doch, dass „Terra“ nicht der letzte Science-Fiction-Roman aus der Feder dieses Autorenduos gewesen sein wird!

T. S. Orgel: Terra • Roman • Wilhelm Heyne Verlag, München 2018 • 512 Seiten • Preis des E-Books € 11,99 • im ShopLeseprobe

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