20. Februar 2023

Im Gespräch mit Pat Cadigan („Alien 3“)

Zwischen William Gibsons nie verfilmtem Drehbuch und einem riesigen Franchise

Lesezeit: 5 min.

Pat Cadigan (im Shop) wurde 1953 in Schenectady, New York geboren und wuchs in Fitchburg, Massachusetts auf. Seit Ende der 1990er lebt sie mit Mann und Katzen in London. Sie veröffentlicht seit 1980 fantastische Geschichte, ist seit 1987 hauptberufliche Autorin und gehört nicht zuletzt zur Riege der Cyberpunk-Schaffenden – sie steuerte aber auch schon Storys zum „Wild Cards“-Kosmos von George R. R. Martin (in Shop) bei. Ihr Roman „Bewußtseinsspiele“ war 1988 für den Philip K. Dick Award nominiert, 1989 wurde ihre erste Storysammlung „Patterns“ publiziert, die einen Locus Award abräumte. 1992 erhielt Cadigan für ihren Roman „Synder“ den Arthur C. Clarke Award, ebenso 1995 für ihren Roman „Fools“. Ihre Novelle „The Girl-Thing Who Went Out for Sushi“ wurde 2013 mit dem Hugo Award ausgezeichnet, und zwei Jahre später in Japan noch mal mit dem Seiun Award. Zudem schrieb Cadigan im Verlauf ihrer Karriere rund ein Dutzend offizielle Romane bzw. Romanfassungen zu Filmen, Fernsehserien und anderen Multimedia-Werken, darunter „Lost in Space“, „The Twilight Zone“, „Harley Quinn: Mad Love“ und „Alita: Battle Angel“ – und natürlich Alien 3“ (im Shop), das soeben bei Heyne auf Deutsch erschienen ist und auf dem nie verfilmten Film-Drehbuch von Cyberpunk-Gott William Gibson („Neuromancer“, „The Peripheral“) basiert. Im Interview spricht Pat Cadigan über ihre schriftstellerische Arbeit in Franchise-Universen, ihre zu den cineastischen Anfängen des xenomorphen Grauens zurückreichende Beziehung zu „Alien“ und ihre rund 40 Jahre umspannende Freundschaft mit William Gibson.

 


Pat Cadigan. Foto © C. Lawrie

Hallo Pat. Kannst du dich daran erinnern, wann der Xenomorph zum ersten Mal in dein Leben getreten ist?

Das war 1979, glaube ich, als der erste „Alien“-Film in die Kinos kam. Ich habe ihn geliebt. Dann folgte der zweite Film, und den liebte ich sogar noch mehr. Die Lücken im Plot waren zu vernachlässigen – ich war damals überglücklich, einen Film zu sehen, in dem sich Frauen und Männer wirklich wie Gleichberechtigte verhalten.

Seit den 1990er Jahren hast du allerhand Romane zu bekannten Filmen, TV-Serien und Comics verfasst. Wie bist du zum ersten Mal mit diesem Teil des Genre-Schreibens in Berührung gekommen, und welche Auswirkungen hatte das auf deine Karriere?

Ehrlich gesagt habe ich mit dem Schreiben von Romanfassungen zu multimedialen Werken angefangen, um zusätzliches Geld zu verdienen. Aber es hat mir Spaß gemacht, sie zu verfassen, also habe ich damit weitergemacht. Es hatte eine heilbringende Wirkung auf meine anderen Bücher, denn die Leute, die meine Romanfassungen lasen, haben sich meine eigenständige Arbeit angeschaut, und die scheint ihnen zu gefallen, denn sie verkauft sich heutzutage besser.

Was macht am meisten Spaß an Romanen zu populären Vorlagen und Universen, und was ist das Schwierigste?

Nun, wenn ich eine Romanfassung zu einem Film schreibe, der sich noch in der Produktion befindet oder noch nicht veröffentlicht wurde, und das ist meistens der Fall, dann liegt die Schwierigkeit darin, alles darüber herauszufinden, wie der Film aussehen soll – die Settings, die Figuren. Die Studios rücken nur ungern Produktionsfotos raus, weil sie nicht wollen, dass sie im Internet auftauchen, bevor sie soweit sind, also ist es manchmal schwer, ein Studio davon zu überzeugen, dass ich sie wirklich, ganz ehrlich, niemandem zeigen werde. Am meisten Spaß macht dann der Prozess des Schreibens selbst.

Lass uns über „Alien 3“ sprechen. Wie hast du den Auftrag bekommen, dieses legendäre, aber nie verfilmte Drehbuch in einen Roman zu verwandeln?

Steve Saffel von Titan Books in den USA hat sich mit mir in Verbindung gesetzt und mich gefragt, ob ich interessiert sei, den Roman dazu zu schreiben. Und das war ich natürlich!

Wie geht man so eine offizielle Romanfassung eines Films oder Filmdrehbuchs handwerklich eigentlich an?

Das Drehbuch selbst dient als Handlungs-Outline. Der erste Schritt besteht dann darin, das vorhandene Drehbuch in einen Prosa-Text zu verwandeln. Und daraus mache ich schließlich einen Roman.

Ist es leichter, einen Roman auf der Grundlage eines Drehbuchs zu schreiben, das letztlich gar nicht als Film realisiert wurde, wie „Alien 3“ von William Gibson?

Bills Drehbuch ist das einzige nichtverfilmte Werk, zu dem ich je eine Romanfassung geschrieben habe. Ich hatte insofern etwas mehr Freiheiten, als dass ich mir alles selbst vorstellen und es entsprechend niederschreiben konnte. Aber das machte es in mancher Hinsicht auch schwieriger. „Alien“ ist ein beliebtes Franchise mit zwei Köpfen – es gibt ein Film-Franchise und ein Roman-Franchise, und Bills „Alien 3“ ist wie eine alternative Zeitlinie zu beiden. Da ich selbst ein großer „Alien“-Fan bin, wollte ich den Ursprüngen treu bleiben.

Kannst du uns ein wenig über deine Beziehung zu William Gibson erzählen? Und habt ihr euch über deinen Roman zu seinem alten Drehbuch ausgetauscht?

Ich kenne Bill schon seit etwa vierzig Jahren. Ich schätze ihn als Freund, und ich bewundere seine Arbeit sehr. Jedes Mal, wenn ein neues William-Gibson-Buch herauskommt, verliebe ich mich aufs Neue in seine Arbeit. Er ist ein toller Autor. Das „Alien“-Drehbuch hat er schon vor Jahrzehnten geschrieben – wenn ihr wissen wollt, wie er dazu kam, es zu schreiben, und was dann geschah, solltet ihr euch den Comic dazu besorgen. Der basiert auf einem anderen Entwurf des Drehbuchs und enthält eine Einleitung, in der Bill die Geschichte erzählt, wie er das Script schrieb und weshalb es nicht in Produktion ging. Auf jeden Fall habe ich mit Bill überhaupt nicht über meine Romanfassung gesprochen. Das lag für ihn alles schon so weit in der Vergangenheit, und er hat es hinter sich gelassen. Ich glaubte nicht, dass er von mir damit belästigt werden will. Ich wusste, dass Bill auch ein großer „Alien“-Fan war und wir die gleichen Lieblingsfiguren hatten, und das war in meinen Augen genug, um weiterzumachen.

Das „Alien“-Franchise stammt aus den späten 1970ern, Gibsons Drehbuch aus den 1980ern, seitdem kamen viele weitere Filme. Wie bist du das Thema Kanon angegangen?

Genau genommen stammt das Drehbuch sogar aus den frühen 1980ern. Es wurde kurz nach dem zweiten Film geschrieben, lange bevor „Alien“ zu einem Film- und Buch-Franchise wurde. Deshalb schien es mir nicht richtig, „Alien 3“ in den Kanon einpassen zu wollen, der sich nach Bills Drehbuch entwickelt hat. Mein Buch ist die Romanfassung von Bills Drehbuch, das vor dem Film „Alien 3“ entstanden ist, der dann letztlich in die Kinos kam, und jedem anderen Film danach.

In den letzten Jahren hat Disney negative Schlagzeilen gemacht, weil man Alan D. Foster nicht mehr für seine klassischen Romanfassungen zu „Star Wars“ und „Alien“ bezahlen wollte …

Ich habe keine Verbindung zu Disney. Aber Alan Dean Foster verdient es, für seine Arbeit angemessen bezahlt zu werden. Das ist meine feste Überzeugung.

Gibt es eigentlich noch ein Multimedia-Franchise, zu dem du gern mal eine Romanfassung schreiben würdest?

Ich wünschte, ich hätte ein paar Roman-Tie-Ins zu „Supernatural“ schreiben können, bevor Sam und Dean in den Sonnenuntergang geritten sind. Es gibt auch eine TV-Miniserie von einem wirklich guten Autor namens Christopher Leone, die 2006 unter dem Titel „The Lost Room“ (dt.: Das verschwundene Zimmer”, Anm. Red.) herauskam und von der ich immer noch total begeistert bin. Sie ist genial, stimmungsvoll und originell, und ich hätte gerne eine Romanfassung und einige Spin-offs geschrieben. Das Rohmaterial ist unheimlich faszinierend.

So wie der Roman nach William Gibsons „Alien 3“-Drehbuch! Danke für das Gespräch, Pat.

Pat Cadigan: Alien 3 • Roman • Aus dem Englischen von Kristof Kurz, Stefanie Adam • Wilhelm Heyne Verlag, München 2023 • 448 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 17,00 • im Shop

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