8. Oktober 2023 1 Likes

Ein Gespräch über mehr als UFOs

Interview mit Christian Alt und Christian Schiffer, den Autoren des topaktuellen UFO-Sachbuchs „Die Wahrheit ist (N)irgendwo da draußen“

Lesezeit: 7 min.

Christian Alt, Jahrgang 1988 und erfolgreicher Hörfunk- und Podcast-Autor, würde gerne an UFOs glauben. Christian Schiffer, Jahrgang 1979 und mit diversen Medienpreisen ausgezeichneter Leiter der Netzwelt bei BR24, glaubt eher nicht an UFOs. Nach ihrem gemeinsamen Sachbuch „Angela Merkel ist Hitlers Tochter. Im Land der Verschwörungstheorien“ haben Alt und Schiffer ihren Konflikt zu fliegenden Untertassen und Besuchern aus dem All nun in ihr neues Buch „Die Wahrheit ist (N)irgendwo da draußen. Was der neue Ufo-Hype über uns Menschen verrät“ (im Shop) verwandelt.

UFO-Sachbücher können manchmal ziemliche Crashlandungen sein. Dieses hier tut sich jedoch als richtig faktenreicher, extrem launig geschriebener Crashkurs in Sachen UFO-Sichtungen, -Hysterie und -Forschung hervor. Auf knackigen 250 wird nicht nur die klassische Historie der Sichtungen und Theorien betrachtet, sondern auch der momentane Stand der UFO- und Alien-Wissenschaften – zwischen der Nostalgie von „Akte X“ in den 1990ern und den aktuell aufsehenerregenden US-Regierungs-Leaks der 2020er. Unterwegs gibt es noch ein Best-of der dokumentierten Alien-Entführungen, einen Besuch bei Erich von Däniken, einen Exkurs zur „Dunkler Wald“-Theorie nach Cixin Liu (im Shop), ein Zitat von Douglas Adams (im Shop) und eine Betrachtung von UFO-Fanatismus in Hinblick auf moderne Verschwörungstheorien.

Im Interview sprechen Christian Alt und Christian Schiffer über die Faszination UFOs, Recherche, verwackelte Aufnahmen, KI und mehr.

 

Hallo Herr Alt, Hallo Herr Schiffer. Wann hatten Sie beide jeweils Ihre erste UFO-Sichtung popkultureller Art, und was bedeutete die für Ihr weiteres Leben?

Christian Schiffer: Das weiß ich nicht genau, aber es könnte in dem Computerspiel „Asteroids“ gewesen sein. Da schießt man ja eigentlich auf Asteroiden, aber in regelmäßigen Abständen kommt auch ein UFO vorbei und ballert rum. Ich dürfte sieben Jahre alt gewesen sein, als ich das auf meinem Atari 2600 gespielt habe. Das UFO selbst hat keinen bleibenden Eindruck hinterlassen, die Alien-Begeisterung kam bei mir erst in den 90ern, mit „Akte X“ und dem Mystery-Montag auf Pro7. Aber mit dem Asteroid-UFO begann meine Computerspiel-Leidenschaft, die mich bis heute begleitet.

Christian Alt: Ich war als Kind riesiger Fan von Science-Fiction-Filmen und hab mir da in der „TV Movie“ alles fett mit Kugelschreiber markiert, was auch nur irgendwie nach Weltraum aussah. Das erste richtige UFO, das mir die Kinnlade hat runterklappen lassen, war das große Raumschiff aus „Independence Day“. Falls wir eines Tages wirklich Besuch von einem anderen Stern bekommen, hoffe ich, dass sie nicht mit so einem Ding anrücken.

Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit an einem Sachbuch vorstellen? Hat da jeder erst mal seinen Part, oder …?

Schiffer: Ja, genau. Jeder hat seinen Part, parallel glüht der Signal Chat, Ideen und Thesen entwickeln wir auch gerne mal in der Kneipe. Und natürlich liest jeder das, was der andere geschrieben hat, verbessert und korrigiert.


Christian Alt. Foto © Julia Müller

Wie viele Stunden Recherche steckt in so einem UFO-Sachbuch? Zählt man das, oder lieber nicht?

Schiffer: Das ist schwer zu sagen, weil die Recherche ja immer mitläuft. Zählen kann man das nicht, aber das muss man auch nicht, da es ja Spaß macht. Ganz ehrlich: Es gibt kaum etwas, das so viel Spaß macht, wie ein UFO-Buch zu schreiben und dafür zu recherchieren.

Und wäre so ein Werk ohne das Internet und digitale Mittel überhaupt machbar?

Alt: Ohne das Internet wäre es zumindest sehr viel schwieriger. Interessant ist aber, dass wir das Buch genau in einer Zeit geschrieben haben, in die der Boom von ChatGPT und generativer AI fiel. Und KI hat uns schon geholfen. Wir haben beispielsweise einen „KI-UFO-Corpus“ erschaffen, den wir mit allerlei wissenschaftlichen Texten und Büchern gefüttert habe und den wir dann „befragen“ konnten. Das läuft mit einem Tool namens „Paper QA“, das man sich bei Github herunterladen kann. Wenn’s dann mal läuft, macht dieses Tool dann eine Textsuche über alle Dokumente im Korpus und sagt dir „Guck mal, auf Seite 72 könnte was zu ‘UFOs in Japan’ stehen“.

Wie kehrt man nach der Recherche- und Schreibsession aus dem Kaninchenbau zurück? Habe Sie da Rituale, Traditionen, Rezepte? Oder brachten Sie die Ufos ins Leben von Freunden und Familie?

Schiffer: Nein, es ist eher umgekehrt: Die UFOs werden in unsere Leben gebracht, so richtig kommt man von dem Thema ja nie los. Diese Woche hat mich beispielsweise jeder zu meiner Meinung zu irgendwelchen mexikanischen Alien-Mumien gefragt. Man ist jetzt halt UFO- und Alien-Experte und ehrlich gesagt kann ich mir kaum etwas Schöneres vorstellen.

Alt: Das geht mir auch so. Mein 9-jähriges Ich, das ein fettes Buch über paranormale Phänomene und UFOs aus dem Weltbild Verlag auf dem Nachttisch liegen hatte, fände es mindblowing, dass ich mal ein UFO-Buch schreiben darf.


Christian Schiffer. Foto © Michael Förtsch

Was war das verblüffendste, was Ihnen während Ihrer Beschäftigung mit dem Thema UFOs untergekommen ist?

Alt: Ach, da gibt es so viel … Dass UFOs beispielsweise sehr oft beim Rauchen auf den Balkon gesehen werden. Wie schlecht die Weltgemeinschaft auf einen Erstkontakt mit Aliens wäre. Wie groß der Einfluss der Popkultur auf unsere Wahrnehmung und Interpretation von UFO-Sichtungen ist. Wie groß die Konflikte auch unter den UFO-Gläubigen selbst sind. Dass Erich van Däniken noch nie ein UFO gesehen hat und so weiter uns so fort.

Im Buch werden kurz mal Kameras erwähnt, aber dennoch: Wieso sind im Jahr 2023 die Fotos von UFOs, Bigfoot und Co. immer noch so schlecht? Selbst Aufnahmen der US-Luftwaffe glänzen selten durch Schärfe …

Schiffer: Ja, die meisten UFO-Bilder befinden sich in dem, was der UFO-Skeptiker Mick West „Low Information Zone“ nennt. Jedes mal, wenn so ein UFO-Bild aus der Low Inforation-Zone herausgeholt wird, in dem man mehr Informationen hinzufügt, etwa einen größeren Bildausschnitt, einen anderen Winkel, stellt sich heraus, dass es um recht banale Dinge handelt. Da kann sich das vermeintliche UFO auch mal als Plastiktüte entpuppen.

Alt: Ein Problem ist auch, dass die meisten von uns völlig unfähig sind, ein vernünftiges UFO-Bild zu schießen. Denn die Schärfe ist gar nicht mal so das Problem. Die meisten von uns zoomen an das UFO ran, dabei kann man es problemlos auch nachträglich vergrößern. Aber durch das heranzoomen gehen wichtige Informationen verloren, etwa die Umgebung, der Kontext, Lichter oder Gebäude.

Wundert es Sie, dass es nicht viel mehr Deep-Fake-Material gibt? Und wird es das in naher Zukunft noch schwerer machen?

Schiffer: Ja, das kann sein. Allerdings betrifft das ja nicht nur die UFO-Thematik, sondern generell das Feld der Desinformation. Allerdings muss man natürlich sagen, dass man schon heute sehr gut UFO-Bilder und Videos faken kann, wenn man sich etwas Mühe gibt.

Was bedeutet KI an dieser Front generell für Verschwörungs-Theorien und unsere Gesellschaft, unsere Nachrichten, unsere Politik, etc.?

Alt: KI reduziert die Kosten zur Produktion von Desinformation quasi auf Null. Erst recht solange Konzerne wie Microsoft die Kosten tragen, die sich ja bei ChatGPT auf knapp eine Million Dollar pro Tag belaufen. Das gilt nicht nur für Videos und Bilder, sondern auch für Spam-Mails, Fake News und, das wird immer wichtiger werden, auch für Audios und Stimmen. Schon heute gibt es KI-getriebene Varianten des Enkeltricks, in denen die Stimme von Angehörigen gefaked wird, um Familienmitglieder abzuzocken. Es klingt langweilig, aber vermutlich werden wir für diese neue Welt auch eine neue Medienkompetenz brauchen. Und auch technische Methoden, etwa digitale Signaturen und Wasserzeichen, die helfen könnten.

Schiffer: Letztlich muss man aber auch sagen, dass Menschen auch einen schlecht gemachten Fake glauben, wenn sie nur daran glauben wollen. Manchmal braucht es nicht einmal einen Fake. Als bei der Trump-Amtseinführung 2017 auf den Bildern deutlich weniger Menschen zu sehen waren als bei der Obama-Inauguration, glaubten genügend Trump-Fans, es sei anders rum.

Zum Schluss die große Frage: Was ist für Sie der beste Film über Alien-Besuche auf der Erde? Ich mache gern den Anfang und werfe „Signs – Zeichen“ in den Ring …

Schiffer: Bei mir ist das ein Film, der nie erschienen ist, nämlich „Night Skies“. Das ist ein Film, den Steven Spielberg machen wollte, als Quasi-Nachfolger zu „Begegnungen der Dritten Art“ drehen wollte. „Night Skies“ sollte ein Horror-Film sein, der lose auf den Hopkinsville Entcounter basieren sollte, eine Begegnung mit goblin-ähnlichen Außerirdischen, die angeblich 1955 stattgefunden haben soll. Der bekannte Ufologe J. Allen Hynek hatte Spielberg davon erzählt. Angeblich hatte Spielberg schon mit der NASA gesprochen, um eine Kamera hochzuschicken, mit der Astronauten Aufnahmen von der Erde und dem Mond aus dem Orbit gemacht werden sollten, aber dann wurde doch nicht aus dem Projekt. Aus den Ideen in „Night Skies“ wurden dann halt zwei sehr unterschiedliche Filme. Der Horrorteil wurde zu „Poltergeist“. Und der Alienteil wurde zu „E.T.“. Eine Kombination von beiden wäre wohl der ultimative Film-Horror geworden.

Alt: Ich liebe bis heute den Film „Contact“ von Robert Zemeckis. Der stammt auch aus meiner Kugelschreiber-TV-Movie-Zeit, also den 90ern, fängt aber wie kein anderer die Faszination ein, die ich bis heute beim Thema UFO spüre. Denn es geht ja wirklich um die ganz großen Fragen: Wer sind wir? Und wollen wir als Spezies hin? Ein wunderschöner Film, der uns das Gefühl gibt, dass wir Teil einer großen intergalaktischen Gemeinschaft sind. Das finde ich sehr tröstlich.

Christian Schiffer, Christian Alt: Die Wahrheit ist (n)irgendwo da draußen • Sachbuch • Goldmann, München 2023 • 240 Seiten • Erhältlich als Paperback und eBook • Preis des Paperbacks: € 18,00 • im Shop

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.