30. Oktober 2020

Zur Wiederaufführung von „Dawn of the Dead“

Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte des Zombies

Lesezeit: 12 min.

Zombie – wird abgeleitet von nzùmbe (Begriff aus dem Kimbundu, eine in Nord-Angola beheimatete Bantusprache), womit ursprünglich ein Totengeist bezeichnet wurde. Hat auf Haiti dieselbe Bedeutung, Begriff lautet da allerdings zonbi, was zombi gesprochen wird und in dieser Form im englischen Sprachraum erstmals 1697 im Buch „Le Zombi du Grand Pérou, ou la comtesse de Cocagne“ von Pierre-Corneille Blessebois auftaucht.

 

 

I.

Am 31. Oktober 2020 wird pünktlich zu Halloween der wohl bekannteste und berüchtigtste Zombiefilm aller Zeiten bundesweit für einen Tag im Kino zu sehen sein (eine Liste mit allen teilnehmenden Kinos findet sich hier): George R. Romeros „Dawn of the Dead“. Der infernalische Klassiker, der hierzulande jahrelang verboten war, wird als neue 4K-Abtastung in der kürzeren, aber ebenso gelungenen europäischen Fassung (die vom italienischen Kult-Regisseur Dario Argento angefertigt wurde) gezeigt und da bereits im Dezember eine umfangreiche Homevideoauswertung folgt, zu der wir natürlich ebenso berichten werden, belassen wir’s jetzt einfach mal bei einem Anguckbefehl. Die Fans werden sowieso geschlossen ins Kino wandern, eh klar, aber gerade die etwas jüngeren Zuschauer, deren Horror-Resozialisierung vielleicht erst mit „The Walking Dead“ anfing, sollten sich dieses Ereignis nicht entgehen lassen. Das Epos hat nicht nur einen riesengroßen Fußabdruck in der Geschichte der Horrorfilms hinterlassen, der Computer- und Videospielbereich kam auch nicht dran vorbei – so wäre zum Beispiel das bekannte „Resident Evil“-Franchise ohne Romeros Vorarbeit undenkbar.

Damit man beim anschließenden Kneipenbesuch mit Hintergrundwissen so richtig auf den Putz hauen kann, im Folgenden nun ein kleiner Streifzug durch die Geschichte des Zombies. Gemeint ist allerdings nicht der aus Film und Fernsehen bekannte Kollege, sondern der Zombie aus der realen Welt, denn, was selbst oft eingefleischten Fans nicht so ganz bewusst ist, der Hintergrund der Zombie-Figur führt weit in die Menschheitsgeschichte zurück und eigentlich handelt es sich gar nicht um ein Furcht einflößendes, Menschenfleisch fressendes Monster.

 

 

II.

Die Figur des untoten Wiedergängers war vermutlich schon in ganz frühen Zeiten bekannt, zumindest gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass viele Menschen damals glaubten, dass die Verstorbenen wieder aus ihren Gräbern steigen und den Lebenden Böses antun. So wurden immer wieder Gräber gefunden, in denen die Leichen der Toten gefesselt oder von Holzpfählen durchstoßen waren. Wobei unklar ist, ob man tatsächlich Angst hatte, dass die Toten wiederkehren oder ob es sich um eine spezielle Hinrichtungsform handelte. Dennoch: Allein beim Gedanken an die Bibel, beziehungsweise der Geschichte von Jesus’ Auferstehung, wird klar, dass das „Wiedergänger“-Motiv wahrscheinlich schon immer präsent war.

Definitiv fest steht aber, dass noch bis ins 18. Jahrhundert in Mitteleuropa eine große Angst vor lebenden Toten herrschte. So wurde die Totenwache eigens mit der Aufgabe betraut auferstehende Leichen wieder zurück ins Nirwana zu befördern. Was Pech für nur vermeintlich Dahingeschiedene bedeutete, da man damals noch nicht über so ausgereifte Methoden verfügte, den Abgang zweifelsfrei festzustellen.


Die Zombies werden zu Kannibalen. Szene aus „Night of the Living Dead“

 

III.

Nun aber zum Zombie: Der aus zahlreichen Filmen, Comics, Romanen und TV-Serien bekannte Genosse hat sein Ursprung in der Karibik, genauer gesagt in Haiti. Unter einem Zombie wird dort eine Leiche verstanden, die Voodoo-Priester, die man bòkò nennt, mit Hilfe schwarzer Magie wieder zum Leben erwecken und fortan als Gratis-Arbeitskraft auf Farmen oder Zuckerrohrplantagen schuften lassen.

Der Zombie-Topos ist dabei Teil der Voodoo-Religion, die von rund 90% der haitianischen Bevölkerung ausgeübt wird. Es gibt zwei Arten, an denen ein Mensch sterben kann. Zum einen auf natürliche Art und Weise, Altersschwäche, Krankheit, zum anderen auf unnatürliche Weise, wie Mord. Die Seelen der letzten Gruppe sind ziemlich empfänglich für die Hexerei der Voodoo-Priester, die die Seelen in Flaschen oder steinernen Gefäßen (bekannt als zombi astral vessel) einsperren und sie zur Kontrolle der untoten Körper (zombi cadavre) benützen. Der bòkò setzt die Körper meist als Arbeitskraft, aber auch für noch niederträchtigere Dinge wie dem Ausschalten von Feinden ein. Wobei der Zombie nicht unbedingt exklusiv seinem Wiedererwecker gehören muss, Verkäufe sind nicht ausgeschlossen.

Es können aber genauso Personen in Zombies verwandelt werden, die noch am Leben sind, vorausgesetzt der Priester ist mächtig genug. Das geht dann so: Zuerst verflucht der Priester sein Opfer, das daraufhin plötzlich ziemlich krank wird und stirbt. Die Familie erklärt es für tot und sorgt für eine Bestattung im Familiengrab (Familiengräber sind auf Haiti üblich). Der Bösewicht klaut sich dann einige Zeit später die Leiche und verwandelt diese mit schwarzer Magie.

Die Haut der Zombies hat in der traditionell-haitianischen Vorstellung eine gräuliche Färbung und liegt eng am Knochen, dicke Zombies wie in den Filmen des Splatter-Heiligtums Lucio Fulci („Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies“, 1979) sind eher eine Erfindung der Italiener. Weiterhin ist der Blick starr und sie bewegen sich extrem schwerfällig und ziemlich planlos. Der Gang ist langsam, unkoordiniert und schwankend, also wie bei der gängigen Filmvariante. Im Gegensatz zu vielen Leinwandkollegen besitzen die Original-Zombies die Fähigkeit zu reden, wenngleich nur in simplen Sätzen und sehr undeutlich, mit einem nasalen Touch. Dafür können sie einfach formulierte Befehle entgegennehmen, haben aber nicht den Ansatz eines freien Willens. Was Zombies so wirklich zu optimalen Arbeitnehmern macht, ist der Umstand, dass ihre körperlichen Kräfte mit der Zombiefizierung maximiert werden. Außerdem reagieren sie nicht auf physische Reize (lassen sich nicht ablenken), werden nicht müde (Mittagspause fällt weg) und spüren keinen Schmerz (keine Sicherheitskleidung nötig). Die Opfer einer Umwandlung befinden sich in einem tranceartigen Zustand und bekommen kaum mit, was mit ihnen geschieht.


Der dicke Zombie in Amerika. Szene aus „Woodoo - Die Schreckensinsel der Zombies“

Der bòkò hat für immer und ewig Macht über die Unglücklichen, es gibt aber Mittel, um aus der Gefangenschaft wieder rauszukommen: Wenn der zombie astral vessel zerbrochen wird oder der bòkò stirbt, sind die Opfer wieder frei. Genauso kann man jemanden wieder entzombiefizieren, indem man (am besten der bòkò selbst) ihn mit Salz füttert. Außerdem befreit der Anblick des Ozeans den Zombie von seinem Fluch. Diese Methoden sind mit einem deutlichen Nachteil verbunden: Der Befreite steht zwar nun nicht mehr unter der Fuchtel des Priesters, aber der Dämmerzustand ist der Gleiche.

Der einzige Weg zu einer wirklich vollumfänglichen Wiederherstellung des Originalzustandes ist ein Eingreifen von „Le Grand Maître“ – des obersten und im Endeffekt einzigen Voodoo-Gottes (es gibt natürlich noch weitere „Götter“ im Voodoo, die sind aber keine Götter im eigentlichen Sinne, sondern Geisteswesen mit göttlichen Kräften sind, die sogenannten Loa).

Der größte Unterschied zu den Zombies der Filmgeschichte ist aber, dass ihre haitianischen Vorwahren keine blutrünstigen, alles attackierenden Fleischfresser sind – die „echten“ Zombies sind überhaupt nicht aggressiv, sondern unterwürfig und attackieren Menschen nur, wenn es der Priester verlangt. Aus diesem Grund sind Zombies in den Augen der Haitianer traditionell eher Opfer und weniger Bösewichte.

Zum Kannibalen mutierte der Zombie erst mit dem ebenfalls von George R. Romero gedrehten „Dawn of the Dead“-Vorläufer „Night of the Living Dead“ (1968). Die Furcht vor der haitianischen Variante rührt jedenfalls nicht aus der Angst vor dieser selbst, sondern eher aus der Befürchtung, dass man eines Tages selbst in einen Zombie verwandelt werden könnte. Dieser Gedanke beunruhigte so sehr, dass allerhand Maßnahmen ergriffen wurden: Man stellte Nachtwachen auf, köpfte die Leiche vor der Beerdigung oder vergrub die toten Körper mit schützenden, magischen Amuletten.

Der Glaube an die Zombifizierung war außerdem ein Mittel zur politischen wie sozialen Kontrolle. Während des François-Duvalier-Regimes (1957-1984) zum Beispiel beschäftigte die brutale, als Tonton Macoute bekannte Geheimpolizei „Milice de Volontaires de la Sécurité Nationale“ mächtige Voodoo-Priester, um den Widerstand der abergläubischen Bevölkerung zu brechen.

 

 

IV.

Der Rest der Welt wurde erstmals mit dem Zombie konfrontiert als die USA zwischen 1915 und 1934 Haiti besetzten. Die Soldaten brachten von ihren Fronteinsätzen allerhand Geschichten von schwarzer Magie und reanimierten Leichen mit in die USA, was natürlich nicht ernst genommen wurde, allerdings freuten sich Comicmacher über den kuriosen Stoff und so tauchten die Untoten bald in den ersten Heften auf und eroberten in den kommenden Jahrzehnten die ganze Welt (als erster Zombie-Film gilt „White Zombie“ von 1932) .


Zora Neale Hurston (links) und Felicia Felix-Mentor

Es gab zudem neugierige Menschen, die von diesen ganzen Geschichten hörten und sich fragten, ob da vielleicht nicht doch was dran ist. Die erste Expedition, die sich auf die Suche nach Zombies machte, fand 1937 statt und wurde von der amerikanischen Folkloristin, Anthropologin und später sehr bedeutenden Schriftstellerin Zora Neale Hurston durchgeführt. Auf ihrer Suche nach Beweisen traf sie auf eine Frau mit Namen Felicia Felix-Mentor, die von ihren Dorfmitbewohnern als Zombie bezeichnet wurde. Felix-Mentor starb angeblich schon 1907 und kam 1927 als Zombie zurück, beziehungsweise ließen sich alle Merkmale feststellen, die auf einen Zombie hindeuteten. Hurston forschte weiter und fand schon bald Beweise, die darauf hindeuteten, dass die Zombifizierung keine schwarzmagischen, sondern vielmehr pharmalogischen Ursachen hatten. Ihrer Meinung nach war vermutlich das Nervengift Tetrodotoxin (das unter anderem im berühmt-berüchtigten Kugelfisch vorkommt) für den Zustand der vermeintlichen Untoten verantwortlich. Die Opfer waren nie tot, sondern lediglich in einem todesähnlichen Zustand. Definitive Beweise blieben aber aus.

Die „Zombifizierung“, also das Versetzen einer Person in einen todesähnlichen Zustand, gilt übrigens bereits seit 1883 als Verbrechen und ist laut dem haitianischen Strafgesetzbuch, Artikel 246, bis zum heutigen Tag ganz offiziell verboten. Dieser „Zombie-Paragraph“ ist nicht zuletzt dank dem Bela-Lugosi-Klassiker „White Zombie“ zur Hollywood-Legende geworden. Es handelt sich dabei aber nicht um Artikel 249 wie im Film und den Promo-Materialien behauptet und es ist nicht von der „Herstellung von Zombies“ die Rede (das Wort „Zombie“ taucht abgesehen davon im Gesetzestext gar nicht auf). Doch der Mythos hält sich bis heute und wurde erst 2014 von der Dokumentation „Doc Of The Death“ wieder aufgewärmt.


Wade Davis (links) und Clairvius Narcisse

Der Ethnobotaniker und Anthropologe Wade Davis führte eine der bekanntesten Expeditionen zum Thema „Zombie“ durch und reicherte Hurstons Erkenntnisse um weitere Details an. 1982 untersuchte er auf Haiti den mysteriösen Fall um Clairvius Narcisse, der angeblich von seinen Brüdern, weil er sein Land nicht verkaufen wollte, zur Strafe in einen Zombie verwandelt wurde und nun daraufhin zusammen mit anderen Leidensgenossen ab 1962 Sklavenarbeit auf der Zuckerplantage eines bòkò leisten musste. Doch sein Herr und Meister starb nach einiger Zeit und so wanderte Narcisse die folgenden 16 Jahre ziellos durch die Botanik.

Irgendwie, sein Bewusstsein wurde mit der Zeit klarer und klarer, schaffte es der Erlöste aber dann doch zu seinem Heimatdorf zurück, wo er seine Schwester fand, die ihn zuerst nicht wieder erkannte, doch gemeinsame Kindheitserinnerungen überzeugten sie. Die Dorfbewohner waren ganz schön aus dem Häuschen, da Narcisse schon vor 18 Jahren nach ärztlicher Untersuchung ganz offiziell für tot erklärt wurde. Der Wiedererweckte erläuterte, dass er tatsächlich gestorben war und begraben wurde. Doch ein bòkò hatte seine Seele gestohlen und so wurde er zwecks Arbeitseinsatz wieder aus dem Grab zurück auf eine Plantage befördert (die Geschehnisse bilden die Grundlage für Bertrand Bonellos wunderbaren „Zombi Child“).

Davis untersuchte ursprünglich die psychoaktive Wirkung diverser Pflanzen und deren Rolle im traditionellen Glauben diverser Stämme. Im Auftrag von Dr. Nathan S. Kline, der von Narcisses Geschichte hörte und annahm, dass es sich hierbei um die Wirkung einer bisher unbekannten, aber sehr starken Drogen handelte, widmete er sich diesem Fall. Kline war an Proben interessiert, die er auf ihre mögliche Verwendung in der Medizin untersuchen wollte.


Achtung: Zombie-Gurke! Datura stramonium (Gemeiner Stechapfel)

Davis flog also 1982 nach Haiti und begann mit seinen Nachforschungen. Doch die Einheimischen erzählten ihm ausschließlich von Zombies, die via schwarze Priester- Magie hergestellt wurden, was den Wissenschaftler natürlich enttäuscht und entmutigte. Davis machte nach weiteren Untersuchungen die Beobachtung, dass die bòkò öfter spezielle Pulver verwenden, die aus gemahlenen Pflanzen und diversen Teilen von Tieren bestehen, was ihn zu der Schlussfolgerung brachte, dass diese Eigenkreationen gewisse pharmakologischen Effekte hervorriefen, die verantwortlich für Zombifizierungen waren.

Der Wissenschaftler kam zur selben Schlussfolge wie Zora Neale Hurston einst: Ein spezielles, in den Zombie-Pulvern enthaltenes sehr starkes Neurotoxin, vielleicht sogar Tetrodoxin, musste für die Geschehnisse verantwortlich sein. Wenn man Tetrodotoxin in nichttödlichen Dosen verabreichte, wurden die Opfer paralysiert und fielen in einen todesähnlichen Zustand, der sich durch niedrige Körpertemperatur, reduzierte Atemfrequenz und einen kaum noch wahrnehmbaren Herzschlag auszeichnete. Da war es nicht auszuschließen, dass der Betreffende für tot erklärt und begraben wurde. Später, so vermutete er weiter, wenn die Wirkung des Gifts nachlässt, verabreicht man dem Aufgewachten eine Droge, aus der Pflanze Datura stramonium (im Deutschen als gemeiner Stechapfel bekannt, auf Haiti als concombre zombi, also Zombie-Gurke), die psychotrope Eigenschaften hat, ihn in einem delirierenden, tranceartigen Zustand hält und für Bewusstseinkontrolle empfänglich macht. Der Priester sorgt durch regelmäßige Infusionen dieser Droge dafür, dass seine Schöpfung nie wieder aufwacht. Da aber im aktuellen Fall der bòkò starb, war es logisch, dass Narcisse langsam, aber sicher wieder zu Bewusstsein kam, denn er bekam ja keinen Nachschub mehr.

Davis durchforstete die ganze Voodoo-Unterwelt von Haiti und kam mit acht Proben dieser Pulver wieder zurück. Bei der Untersuchung fand man allerhand krude Zutaten wie getrocknete Schildkröte, Knochenstücke, Echsen und Spinnen, darüber hinaus wurde das von Davis vermutete Tetrodotoxin festgestellt. Bei Versuchen an Laboraffen kam heraus, dass die Pulver die Probanten tatsächlich in einen lethargischen, regungslosen Zustand versetzten. Davis wurde zum Mann der Stunde und hielt seine Erkenntnisse in dem 1985 erschienenen Buch „The Serpent And The Rainbow“ fest, das drei Jahre später die Vorlage für den gleichnamigen Horrorfilm von Wes Craven lieferte.

In den folgenden Jahren geriet der Zombie-Forscher in das Kreuzfeuer von Kritikern, die seine Arbeit erheblich anzweifelten. Unter anderem gab es den Vorwurf, dass die Pulver zwar Tetrodotoxin enthielten, aber letztendlich nur so wenig, dass es unwahrscheinlich ist, dass diese winzigen Mengen für die Zombifizierung eines Erwachsenen verantwortlich waren. Weiterhin wurde als Gegenargument angeführt, dass man diese Art Gift für jedes Opfer schon genau bemessen müsste – zuviel Gift und der Tod war die Folge, zu wenig Gift und eine Wirkung blieb aus. Harschere Kritiker bezweifelten sogar, dass die Geschichte von Narcisse wahr ist. Die Nörgler übersahen aber, dass zumindest ein Kritikpunkt bereits durch die Zombie-Mythologie ausgehebelt wurde. Laut dieser war der Kandidat dem bòkò nämlich wohlbekannt und somit dürfte eine korrekte Dosierung nicht unbedingt das größte Problem sein.

Abgesehen davon galt das Herstellen von Zombies seit jeher nicht unbedingt als unproblematisch, man sagte den bòkò nach, dass auf jeden gelungenen Versuch ein fehlerhafter, also entweder Tod oder gar keine Wirkung, kommt. Wade probierte das Pulver übrigens auch selbst aus: keine Wirkung. Er verteidigte seine Entdeckung aber trotzdem, denn die Spuren von Tetrodotoxin konnten ja immer noch zusammen mit den anderen Zutaten (besonders mit dem Gift bestimmter Krötenarten) eine spezielle Wirkung entfalten.

In einem zweiten Buch, „Passage Of Darkness: The Ethnobilogy of the Haitian Zombie“, verteidigte er seine Forschungen weiter und wies unter anderem darauf hin, dass in Japan Menschen nach dem Konsum von Kugelfisch in einen todesähnlichen Zustand gefallen waren, für Tod erklärt wurden, sich aber etwas später wieder komplett erholt hatten. Ebenso stellte Davis klar, dass die Zombifizierung nicht ausschließlich auf die Verwendung von Pulvern und Giften zurückzuführen ist. Ein wichtiger Aspekt ist der tief verwurzelte Glaube der haitianischen Bevölkerung, dass schwarze Magie und Voodoo real sind und dass eben diese Ausgangsbasis die Leute sehr empfänglich für den Prozess der Zombifizierung macht.

Die Debatte über Wade und seine Forschungen hält bis heute an, in der Zwischenzeit gab es weitere Untersuchungen. So wurde im englischen Medizinjournal The Lancett 1997 ein Artikel über weitere angebliche Zombifizierungen auf Haiti veröffentlicht, der zum Resultat kommt, dass alle drei Fälle mit Geisteskrankheiten, Lernstörungen oder Hirnschäden erklärt werden können, was von der abergläubischen und oftmals ungebildeten Bevölkerung falsch interpretiert wurde. Doch die Verfasser räumten ein, dass es auf Haiti häufig vorkommt, dass bòkòs Leichen aus Gräbern stehlen und schlossen Wades Thesen – ebenfalls mit Hinweis auf die Tetrotodoxin-Vergiftungen in Japan – ebenfalls nicht aus. Im Gegenteil man vermutete sogar, dass einer der untersuchten Fälle eventuell sogar genau darauf zurückführen ist.

*

Natürlich konnten die vorangegangen Zeilen nur einen kleinen Einblick in den historischen Hintergrund unseres beliebten Freundes mit der ungesunden Hautfarbe geben. Es wurde aber hoffentlich aufgezeigt, dass das Thema „Zombie“ lange nicht einseitig ist, wie es mancher Film oder Jugendschützer gerne hätte. Der Zombie-Mythos ist reichhaltig an faszinierenden Geschichten, Erkenntnissen, Legenden und wird in den nächsten Jahrzehnten weiterhin nicht nur die Fantasien der Filmemacher, sondern auch das Interesse der Wissenschaftler beflügeln. Es lohnt sich jedenfalls nach dem Angucken von „Dawn of the Dead“ nach entsprechender Literatur umzuschauen. Selbst wenn Forscher wie Wade Davis nicht bar jeglicher Kritik sind – interessant und faszinierend sind ihre Arbeiten allemal … und oftmals ganz schön unheimlich!

Bild ganz oben aus „Zombie - Dawn of the Dead“.

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