23. Februar 2024

„I’m a Spaceman“ – Die Berlinale sehnt sich nach den Sternen

Genre hat es bei klassischen Filmfestivals traditionell schwer, ein paar Ausnahmen gab es auch in Berlin

Lesezeit: 4 min.

Zum letzten Mal leitet der Italiener Carlo Chatrian in diesem Jahr die Berlinale, nach nur fünf Jahren wurde sein Vertrag nicht verlängert. Belastet wurde das kurze Gastspiel Chatrians durch die Corona-Pandemie, manche Pläne zur Veränderung und Neuausrichtung des Festivals blieben dadurch stecken, ein großer Kritikpunkt scheint jedoch hausgemacht: Der Mangel an Stars, die über den roten Teppich vor dem im Winter oft unwirtlichen Berlinale-Palast schritten, womit natürlich in erster Linie Hollywood-Stars gemeint sind. Allzu sehr scheint sich Chatrian nicht für Stars zu interessieren, was nicht grundsätzlich verkehrt ist, aber dann zu einem Problem wird, wenn man ein Festival leitet, das auch auf Sponsoren angewiesen ist. Und die schmücken sich eben lieber mit bekannten Gesichtern, als mit außerhalb von Fachkreisen kaum bekannten Filmemachern aus dem Globalen Süden.

Vielleicht auch um zumindest ein wenig Hollywood-Glamour zu verströmen, wurde in diesem Jahr der Netflix-Film „Spaceman: Eine kurze Geschichte der böhmischen Raumfahrt“ in einer Sondervorführung gezeigt, für den Adam Sandler und Carey Mulligan nach Berlin fanden. Regie bei dem als Science-Fiction-Film getarnten Liebesfilm führte Johan Renck, der zuletzt mit der TV-Serie „Chernobyl“ einen großen Erfolg feierte. Was dann auch gleich zum ewigen Problem von Streaming-Filmen führt, die auf die große Leinwand projiziert recht eindrucksvoll aussehen, am heimischen Fernseher aber doch eher so nebenbei weggeguckt werden. Was in diesem Fall aber auch an der allzu konventionellen Geschichte liegt, die mit den üblichen dystopischen Konventionen arbeitet, Sandlar als allein durchs All trudelnden Astronauten zeigt, der die Isolation nicht verkraftet. Nächste Woche bei Netflix, übernächste vergessen.


Spaceman; © 2023 Netflix, Inc.


Another End; © Matteo Casilli/ Indigo Film

In den Hauptsektionen der großen Festivals findet sich dagegen selten Genrekino und wenn, dann eher als loser Aufhänger für dramatische Geschichten. So fängt etwa Piero Messinas „Another End“ mit einem spannenden Konzept an: In nicht allzu ferner Zukunft lassen sich die Gedanken und Gefühle eines verstorbenen Menschen in einen Host implantieren, mit dem die Hinterbliebenen noch einige Tage verbringen können, bevor es zum endgültigen Abschied kommt. Hier ist das Sal (Gael Garcia Bernal) dessen Frau Zoe bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist. In Gestalt von Ava (Renate Reinsve) tritt sie nun wieder in sein Leben, doch bald verliebt sich Sal in, ja, wen eigentlich? Das Gesicht von Ava oder das Wesen von Zoe? Kein schlechter Ansatz, den Messina dann aber allzu bemüht durch dekliniert, was „Another Ende“ am Ende wirken lässt wie eine schwache „Black Mirror“-Episode.

Ein ähnliches Problem, wenn auch weniger dramatisch, verhindert das „A Different Man“ so gut wird, wie er begann. Aaron Schimberg erzählt von Edward (Sebastian Stan), der an Neurofibromatose leidet, platt gesagt die Krankheit des Elefantenmenschen. Aus seiner Position als Außenseiter befreit ihn zumindest äußerlich eine medizinische Behandlung, doch im Inneren bleibt er eine einsame Seele. Als seine ehemalige Nachbarin ein Theaterstück über ihn, bzw. sein altes, äußerlich deformiertes Ich, schreibt, bewirbt sich Edward und spielt die Rolle mit Maske. Doch dann taucht Oswald (Adam Pearson) auf, der tatsächlich an Neurofibromatose leidet, aber so entspannt mit der entstellenden Krankheit umgeht, das er das Leben führt, das Edward auch als „normaler“ Mann, nicht leben kann. Pearson kennt man aus „Under the Skin“, seine Präsenz macht den Film besonders, auch wenn alle Aspekte von Repräsentation, Rollenspiel, Diversität, etwas zu akademisch abgehandelt werden.


A Different Man; © Faces Off LLC


L’empire; ©Tessalit Productions

Akademisch zu sein kann man dem belgischen Berserker Bruno Dumont beileibe nicht vorwerfen. Das Drehen mit Außenseitern der Gesellschaft hat er seit Jahren zum Programm gemacht: Menschen, die betont nicht den konventionellen Schönheitsvorstellungen entsprechen, bevölkern seine Filme, Menschen mit Hasenscharten, schiefen Gesichtern, Übergewichtige, die ganze Bandbreite der Gesellschaft also. Nun hat Dumont „L’Empire“ gedreht, einen völlig durchgedrehten Science-Fiction-Film, der in einem belgischen Küstenort die Kräfte von Gut und Böse aufeinander treffen lässt. Ein dickes, blondes Baby mit durchdringendem Blick soll irgendwann zum Herrscher über die Menschen werden, was die Kräfte des Hellen verhindern wollen. Ihre gigantischen Raumschiffen sehen aus wie die Pariser Kirche Sainte-Chapelle, während die der Bösen an ein barockes Schloss erinnern. Meist spielt das Geschehen allerdings auf dem Dorf, was es umso bizarrer wirken lässt, wenn da plötzlich via Lichtschwert geköpft wird. Einen Sinn in dem Reigen zu entdecken fällt zwar schwer, unterhaltsamer als viele der betont ernsthaften, um Bedeutung bemühten Filme ist das jedoch allemal.

Abb. ganz oben aus „Another End“, © Matteo Casilli/ Indigo Film

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