16. März 2024

Heimkino-Highlights im März 2024

Neues und Altes jenseits des großen Saals

Lesezeit: 8 min.

Jeden Monat die gleiche quälende Frage angesichts eines Bergs von Neu-Veröffentlichungen: „Was lohnt sich?“ – regelmäßige Hinweise der Redaktion sollen das Leben zumindest ein wenig leichter machen!

 

1. Gefangene im Weltraum (1986)

Bei wem? ‎ M-Square Classics/UCM.ONE (Soulfood) Als was? Blu-ray, DVD Wann? 01.03.2024

Worum geht’s? In einer weit entfernten Galaxis wird die junge Taura für einen Mord, den sie gar nicht begangen hat, angeklagt und zur einer Haftstrafe in einem berüchtigten Zellenblock auf einem Gefängnisraumschiff verurteilt, in dem Menschenrechte und Würde ein Fremdwort sind und sadistische Wärterinnen die Gefangenen schikanieren. Taura ist von Anfang an klar, dass sie Opfer eines Komplotts ist und man sie aus dem Weg geräumt haben will, doch sie kann fliehen und beginnt eine Widerstandsgruppe aufzubauen, die sich der Tyrannei des galaktischen Steuereintreibers Bantor entgegen stellt …

Prognose: Ältere Semester werden sich erinnern: Man stand damals in der Videothek und hat mit großen, sehr großen Augen auf all diese wirklich zauberhaften Cover gestiert (rückblickend war der Videothekenbesuch fast schon das Äquivalent zum Gang ins Museum). Vor dem heimischen Bildschirm projizierte man – in jungen Jahren funktioniert das meist blendend – dann möglichst viel von der durch das Cover aufgebauten Gedankenwelt auf den Film – guckte ihn sich größer und besser als er letztendlich war (ähnliche Prozesse spielten sich bei Computer- und Videospielen ab).

„Gefangene im Weltraum“ ist so ein Teil. Spitzencover, aber halt doch wieder nur ein Schnellschuss von B-Movie-Papst Fred Olen Ray, der parallel zu Kumpel Jim Wynorski in den 80er- und 90er-Jahren mit unzähligen Produktionen die Videotheken bestückte. Ein Film, dessen primärer Daseinszweck darin bestand, Geld zu machen.

Aber Kommerz ist nicht gleich Kommerz: Ich bin jetzt zwar erwachsen (na ja) und seh nun glasklar die Defizite, aber im Zweifelsfall würde ich eine Klamotte dieser Art jederzeit so etwas wie dem derzeit im Kino laufenden vierten Beitrag zu Sonys Spider-Man Universe vorziehen: Während die millionenschweren Hollywood-Blockbuster im wahrsten Sinne des Wortes vom Kapital erschlagen werden, sich das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Kommerz zu Gunsten des Kommerz aufgelöst hat, es nur noch darum geht, durchoptimierte Produkte herzustellen, die es weltweit möglichst jedem Recht machen sollen, Recht machen müssen (unbedingt Wolfgang M. Schmitts Analyse zu „Madame Web“, gucken), sollte „Gefangene im Weltraum“ nur eine Zielgruppe halbwegs befriedigen und da lange nicht so viel Kapital auf dem Spiel stand (hier wurden gerade mal 220.000 $ verbraten), blieb Raum für kindliche Unbefangenheit und Spontaneität, die vermutlich sogar noch während der Dreharbeiten ausgelebt wurde und sich in schrille Frisuren, albernen Namen wie Dr. Po, Gummimonster, Brüste und herrlichen Quatsch wie interstellaren Quälschnecken, die von der Zuchtmeisterin nach dem Einsatz wie Haribo geknabbert werden, niederschlägt. Und man muss keine zwei Stunden kostbare Lebenszeit investieren, der Unfug ist nach 83 Minuten vorbei. Wer nicht gerade zum Lachen in den Keller geht und die Scheibe irgendwann für 3-4€ sichtet, sollte zulangen.

Gefangene im Weltraum • Prison ShipUSA 1986 • Regie: Fred Olen Ray • Darsteller: Sandy Brooke, Suzy Stokey, Ross Hagen, Marya Grant, Aldo Ray, Dawn Wildsmith

 

2. Das Geheimnis des Dr. Z (1966)

Bei wem? Wicked Vision Media Als was? Blu-ray & DVD Wann? 15.03.2024

Worum geht’s? Dr. Zimmer betreibt in seinem Laboratorium Experimente zur Gedankenkontrolle. Als er seine Ergebnisse auf einem Kongress anderen Wissenschaftlern seines Forschungsgebietes vorträgt, erntet er jedoch nur Spott. Dr. Zimmer erleidet daraufhin einen tödlichen Herzanfall. Nur seine Tochter Irma, ebenfalls Wissenschaftlerin, hält zu ihrem Vater und verspricht dessen Forschungen fortzuführen. In einem Nachtclub macht Irma die Bekanntschaft mit der exotischen Tänzerin Miss Muerte. Mittels der Apparatur ihres Vaters funktioniert Irma die Tänzerin zur willenlosen Mordmaschine um, die die liquidieren soll, die sich einst über ihren Vater lustig machten …

Prognose: Der 2013 verstorbene spanische Wirbelwind Jess Franco wird hierzulande wahrscheinlich nie eine nachträgliche Huldigung vom Filmdienst bekommen und auch sonst wird meist selbstgefällig die Nase gerümpft, wenn sein Name fällt. Dabei ist die Ausnahmestellung Francos in der Filmgeschichte doch schon längst klar. Der Mann war ein Genie der ganz eigenen Art und hatte schon an einem Cinematic Universe gebastelt, als Kevin Feige noch im Hoden seines Vaters schwamm.

Und was für ein Universe! Ein Universe, das nicht vom Inhalt zusammengehalten wird, das wäre ja langweilig, sondern 207 labyrinthisch verwobene Filme, in denen Motive, Musik, Schauspieler immer und immer wieder auf unterschiedlicher Art zurückkehren und aufeinander verweisen. Eine Beschäftigung mit Francos Werk bedeutet ein Reise mitten ins Herz eines von Obsessionen beherrschten Mannes, der den Film geliebt, der den Film geatmet hat und „Das Geheimnis des Dr. Z“ ist eine perfekter Startrampe, da für francosche Verhältnisse zugänglich und handwerklich weitaus weniger wild als das, was da noch kommen sollte, gefertigt. Wer Oldschool-Grusel mit schönen Bildkompositionen mag, ist hier bestens aufgehoben.

Das Geheimnis des Dr. Z Miss MuerteFrankreich/Spanien 1966 • Regie: Jess Franco • Darsteller: Antonio Jimenez Escribano, Guy Mairesse, Howard Vernon, Mabel Karr, Estella Blain

 

3. Alien Invasion – We Come Not In Peace (2023)

Bei wem? Lighthouse Home Entertainment Als was? Blu-ray, DVD Wann? 22.03.202

Worum geht’s? Lyra wird an ihrem Geburtstag von einigen Freuden überrascht. Sie feiern ausgelassen und setzen die Party ohne Erlaubnis im Haus des Nachbarn fort. Im Erdgeschoss entdecken sie plötzlich ein überdimensionales Ei, aus dem eine merkwürdige, echsenähnliche Kreatur schlüpft, die eine Vorliebe für menschliches Blut zu haben scheint.

Prognose: Kann ich nicht viel dazu sagen, außer, dass der Regisseur 2022 beim Indie-Hit „Winnie the Pooh: Blood and Honey“ Regie-Assistent des zweiten Stabes war und die Invasion ein unerfülltes Versprechen ist: Es gibt genau ein Alien und das soll aussehen wie die 1€-Shop-Version des Xenomorphen aus Ridley Scotts Alltime-Klassiker „Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ (1979). Was dafür spricht, eine Sichtung in Erwägung zu ziehen: 73 Minuten Laufzeit.

Alien Invasion – We Come Not In Peace • USA 2023 • Regie: Fred Searle • Darsteller: Amber Doig-Thorne, Matthew Baunsgard, Sarah T. Cohen, May Kelly, Richard Kovacs

 

4. Endgame – Das Spiel mit dem Tod (1983)

Bei wem? Mediacs / tonpool Als was? DVD, Blu-ray Wann? 22.03.2024

Worum geht’s? Nach einem Atomkrieg ist die Erde verwüstet. Durch die Strahlung ist eine neue Menschenrasse entstanden: die Mutanten. Diese werden von den „normalen“ Menschen erbarmungslos gejagt. Um das Volk bei Laune zu halten, haben die neuen Diktatoren das „Endgame“ geschaffen, einen blutigen Gladiatorenkampf, bei dem nur der Stärkste überlebt. Bei einem dieser Kämpfe trifft der Favorit und mehrfache Sieger Shannon auf die hübsche Mutantin Lilith, die ihn bittet, sie und ihre Freunde aus der Stadt zu bringen. Nach anfänglichem Zögern willigt Shannon ein, denn Lilith verspricht ihm 50 Kg Gold als Belohnung. Zusammen mit einigen anderen unerschrockenen Kämpfern macht sich der Trupp auf den gefahrvollen Weg aus der Stadt.

Prognose: Der italienische Tausendsassa Joe D’Amato war in etwa zeitgleich mit Jess Franco aktiv, allerdings weitaus weniger Künstler als Franco sondern pragmatischer Handwerker mit ausgeprägtem Geschäftssinn und leicht überdurchschnittlichen Fähigkeiten als Kameramann, wovon vor allem seine Pornofilme profitieren sollten. Wobei, so ganz hab ich D’Amato seine Aussage, dass er vor allem ein Geschäftsmann, weniger Filmemacher ist, ist nie abgekauft. Sicher er hat gekurbelt, was gerade angesagt war, aber Filme wie „Man-Eater – Der Menschenfresser“ (1980), eine Mischung aus Gothic-Grusel, Slasher, Gore und griechischer Tragödie, sind ambitionierter als D’Amato zugeben wollte und „Sado – Stoß das Tor zur Hölle auf“ hat zwar damals mit ein paar wenigen Ekelszenen Jugendschützer und noch mehr natürlich Jugendliche schwer fasziniert, entpuppt sich aus heutigen Augen aber eher als völlig derangierte Romcom, deren dekadent-morbide Stimmung weitaus mehr Tiefenwirkung entfaltet, als die Trickeffekte.

Die billige, aber liebevolle ausgestattet Kiesgruben-Dystopie „Endgame – Das Spiel mit dem Tod“ entstand im Zuge des Erfolgs von „Mad Max“ und „Die Klapperschlange“ und erinnert etwas an den Schwarzenegger-Klopper „Running Man“, allerdings wurde dieser vier Jahre später veröffentlicht, weswegen zu vermuten ist, dass Joe D’Amato Tom Toelles „Das Millionenspiel“ (1970) gesehen hatte. Jedenfalls wurde munter geräubert und das Gemisch mit ein paar eigenen Extravaganzen abgeschmeckt, so wird 70er-Jahre Erotik-Ikone Laura Gemser in einer Szene von einem dicken Fischmenschen vergewaltigt. Apropos Laura Gemser: Was D’Amato mit Franco verbindet ist die familiäre Atmosphäre vieler Filme und so sind auch hier wieder allseits bekannte Gesichter am Start: Gemser (wirkte in ganze 28 D’Amato-Produktionen mit), ihr erster Ehemann Gabriele Tinti (die beiden lernten sich – na logo! – am Set eines D’Amato-Films kennen und Tinti blieb an Gemser wie D’Amato kleben), ihr zweiter Ehemann George Eastman (ebenfalls langjähriger D’Amato-Mitstreiter) und Al Cliver, der allerdings nicht ganz so oft bei D’Amato vor der Kamera stand, sondern eher durch einen anderen Italiener, Lucio Fulci, unsterblich wurde). Auf alle Fälle eine unterhaltsame Nummer, Tiefpunkt allerdings: Action war nicht grade D’Amatos Stärke, weswegen die Ballerszenen etwas fad anzuschauen sind.

Endgame – Das Spiel mit dem Tod Endgame - Bronx lotta finaleItalien 1983 • Regie: Joe D’Amato • Darsteller: Al Cliver, Laura Gemser, George Eastman, Gabriele Tini, Gordon Mitchell

 


„Kafka“, NDR

und was gibt’s im TV & Internet?

• Reset – ab 04.03.2024 in der ZDFMediathek und am 11.03.2024 im ZDF: Katja Riemann reist zurück in die Zeit um ihre Teenager-Tochter zu retten. Soll man sich das angucken? Noch schlimmer als die letztjährige Science-Fiction aus Deutschland kann’s unmöglich werden.

• Extraordinary, Staffel 2 – ab 06.03.2024, Disney+: Die nächste Runde der ganz guten Superhelden-Comedy.

• Das Signal – ab 07.03.2024, Netflix: Und gleich noch mal Science Fiction aus Deutschland. Hier dreht sich alles um eine Wissenschaftlerin an Bord der Internationalen Raumstation ISS, die auf dem Heimflug zur Erde spurlos verschwindet. Mystery-Quark zum Fremdschämen.

• Solar Opposites, Staffel 3 – ab 09.03.2024, Comedy Central: Free-TV-Premiere der super-schrägen und super-lustigen Animationsfilmserie, zur Hälfte aus der Feder von „Rick and Morty“-Schöpfer Justin Roiland.

• Invincible, Staffel 2 – ab 14.03.2024, Amazon: Animationsfilmadaption des ungewöhnlichen Superhelden-Epos von Robert Kirkman – Fortsetzung der zweiten Staffel!

• Helgoland 513 – ab 15.03.2024, WOW: … und noch mal Science Fiction aus Deutschland, dieses Mal von Robert Schwentke, der nach einigen Hollywood-Arbeiten („R.I.P.D.“, „Die Bestimmung“ Teil 2 und 3) wieder in Deutschland aufgeschlagen ist. Erzählt wird von einer postapokalyptischen Gemeinschaft, die’s auf Helgoland mit knappen Resourcen auskommen und sich Angriffen von Außen erwehren muss. Na ja … ist ja nicht so, dass wir Plots dieser Art in den letzten Jahren nicht schon 112 Trilliarden Mal hatten … trotzdem: Würde ich noch eher gucken als „Reset“ da weit und breit keine Katja Riemann in Sicht. Aber gut wird das ebenso nicht.

• Kafka – ab 26.03.2024, ARD: Österreichische Serie um das Leben der Schriftsteller-Legende Franz Kafka, den man zwar nicht unbedingt mit Science Fiction in Verbindung bringt, der aber einen großen Einfluss auf das Genre hatte (man denke nur an David Cronenbergs Großtat „Die Fliege“ von 1986, die unübersehbar von Kafkas Kurzgeschichte „Die Verwandlung“ beeinflusst wurde)

Abb. ganz oben: „Das Geheimnis des Dr. Z“, Wicked Vision Media

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