10. August 2017 3 Likes

Heyne goes Helsinki – Tag 2: Villakoira

Das WorldCon-75-Tagebuch, heute: Con-Alltag, Cixin Liu und ein Pudel

Lesezeit: 3 min.

Ein Blick aus dem Hotelzimmer zeigt: Wolken, Sommerkühle und ein fahles Leuchten am Horizont. Nordisches Wetter eben. Passend dazu erklingt die Hymne des großen finnischen Komponisten Jean Sibelius, „Finlandia“, aus den Laptop-Lautsprechern. In ihrer spätromantischen Verve ist sie genau das richtige Aufputschmittel, um sich in einen vollen Tag 2 des WorldCon 75 in Helsinki zu stürzen.

WorldCon 75 Helsinki - Sibelius-Denkmal
In der Nähe meines Hotels ist ein Park mit dem Sibelius-Denkmal

Mein erster Termin ist gleich ein sehr erfreulicher: ein Gespräch mit Cixin Liu. Es ist immer wieder faszinierend, diesem Autor in seine Denkwelten zu folgen. Unser Gespräch bewegte sich von den Abgründen der Quantenphysik, die in seiner kommenden Novelle „Spiegel“ (im Shop) thematisiert werden, über Lius Lieblings-Wissenschaftsdisziplinen (Kosmologie, Exobiologie und theoretische Physik … Was sonst!) bis hin zu Einblicken in das Privatleben des Autors, etwa dass seine Frau und seine Tochter niemals seine Texte lesen. Nun denn.

Außerdem teilte mir Liu mit, dass er offizieller Botschafter des Mars-Programms der chinesischen Raumfahrt ist. Können wir also auf einen Marsroman aus seiner Feder hoffen? Er wollte es mir nicht verraten. Ein obligatorisches Selfie mit dem internationalen Bestsellerautor durfte natürlich nicht fehlen – und fast wäre das der Abschluss des Gesprächs gewesen:

WorldCon 75 - Selfie mit Cixin Liu
Selfie mit glücklichem Lektor und berühmtem Autor

Es kam anders. Kaum hatten wir uns aus den Sitzen von Henry’s Pub erhoben (hier wird Kaffee in Gläsern serviert; das hätte mich warnen sollen), da sprang plötzlich ein Pudel auf Cixin Liu los und biss ihn ins Bein! Resultat: Hose zerfetzt, aber zum Glück keine Verletzung. Und während der Hundebesitzer gleichmütig und ohne ein Wort der Entschuldigung das Weite suchte, mussten wir, also Cixin Liu, sein Agent und Dolmetscher Martin Chen und ich, erst einmal ein Bekleidungsgeschäft finden. Für einen Forschergeist wie Liu ein wahrlich mephistophelischer Moment mit einem Villakoira*. 

WorldCon 75 Logo
Ursa Major ist das Maskottchen des diesjährigen WorldCon

Nachdem ich mich vom Schock erholt habe, fahre ich wieder zum Messegelände, oder Messukeskus, wie man hier sagt. Die Atmosphäre hier ist eine bunte Mischung aus Familientreffen, Kostümball und Klassenfahrt – man kennt sich, man glaubt, sich zu erkennen, oder man rätselt, wen das Gegenüber darstellen möchte. Die Bandbreite der Themen, die auf dem WorldCon in Präsentationen, Paneldiskussionen, Workshops und akademischen Veranstaltungen angeboten werden, ist schier unfassbar. Kann man sich in dem einen Raum über die Rolle der NASA für die Zukunft der Raumfahrt informieren, wird eine Tür weiter über Asexualität in der Science-Fiction diskutiert. Woanders steht die Frage „How Can I Destroy The World With Science?“ im Mittelpunkt, und wieder einen Saal weiter wird die Bedeutung von Trollen für die nordische Fantastik debattiert.

WorldCon 75 Helsinki - Hugo Awards der Vergangenheit
Die begehrteste Trophäe der Science-Fiction-Literatur: der Hugo Gernsback Award

Am Abend wird in einer Paneldiskussion gefragt, ob wir (also die Weltgemeinschaft) seit Ursula K. Le Guins kommunistisch-utopischem Entwurf in ihrem Roman „Freie Geister“ („The Dispossessed“, auch: „Planet der Habenichtse“) vorangekommen sind. Klare, wenn auch entnervte Antwort aller Anwesenden: Es mangelt zwar nicht an neuen Ideen, aber – nein. Eine andere Frage bleibt dabei unbeantwortet im Raum stehen, nämlich ob auch die Science-Fiction seitdem „weitergekommen“ ist …

Nach diesem aufregenden Tag bleibt mir nur noch eins: die Chinese Fandom Party. Die Reiskuchen habe ich mir heute redlich verdient.

* Villakoira heißt: Pudel.

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