30. Januar 2024 1 Likes

Brandon Sanderson: „Das Herz der Sonne“

Ein Überraschungs-Kosmeer-Roman vom Bestsellerautor & Kickstarter-Rekordbrecher

Lesezeit: 5 min.

Vor fast 20 Jahren wurde Brandon Sandersons (im Shop) erster fantastischer Roman „Elantris“ (im Shop) veröffentlicht. Seitdem hat der 1975 geborene US-Amerikaner und Bestsellerautor sein „Kosmeer“-Universum immer weiter aufgebaut und dabei mehrere Serien, Genres und Zeitebenen verwoben – inzwischen gehört sogar die Comic-Reihe „White Sands“ zum Kosmos zwischen Fantasy und Science-Fiction. Außerdem brachte Sanderson die langlebige, so populäre wie prägende Fantasy-Serie „Das Rad der Zeit“ nach dem Tod ihres Schöpfers Robert Jordan zu Ende, worum dessen Witwe Sanderson nach der Lektüre seiner ersten Bücher höchstpersönlich gebeten hat. Daneben startete der online seit jeher sehr präsente und transparente, in permanentem Austausch mit seiner Fanbase stehende Sanderson diverse weitere Roman- und Novellen-Serien für Erwachsene und für Jugendliche, darunter eine Superhelden-Reihe um den Roman „Steelheart“ (im Shop).

Auch einen Roman zum klassischen Fantasy-Sammelkartenspiel „Magic: Die Zusammenkunft“ (im Shop), von dem Sanderson ein bekennender Fan ist, entstand vor nicht allzu langer Zeit. Obendrein kreierte der mit dem Hugo Award und dem David Gemmell Legend Award ausgezeichnete, kürzlich mit einem Ehrendoktor der Utah Valley University bedachte Vielschreiber das Universum des Videogames „Moonbreaker“. Darüber hinaus gründete er mit Dragonsteel Entertainment noch eine eigene Firma, deren lektorierendes, designendes, organisierendes, teils logistische Wunder vollbringendes Team sich um limitierte Luxusausgaben, riesige Signier-Aktionen für ganze Editionen und diverses Merchandise kümmert. Oh, und ganz nebenbei knackte Mr. Sanderson noch alle Rekorde auf der bekannten Online-Crowdfunding-Plattform Kickstarter.

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Was uns zum Roman „Das Herz der Sonne“ (im Shop) bringt, Anfang 2024 gerade bei Heyne erschienen. Im März 2022 enthüllte Brandon Sanderson seinen vielen treuen Fans, dass er während der Corona-Pandemie, da ständige Lesereisen als Zeitfresser plötzlich kein Thema mehr für ihn waren, außerplanmäßig und insgeheim vier Romane geschrieben habe – manche zunächst bloß als Geschenk an seine Frau gedacht, manche, um thematisch oder inhaltlich etwas auszuprobieren, und alle selbstverständlich für sein Vergnügen und für seine Fangemeinde. Die Produktion dieser bereits fertig geschriebenen Bücher sollte via Kickstarter gesichert und erweitert werden – also mit online getätigten Geldversprechen von fremden, interessierten, begeisterten Menschen, die neben dem finalen Produkt (durch entsprechend hohe Investitionen in die Kampagne) zahlreiche weitere Prämien freischalten konnten.

Die gut geplante, gut gemachte Kickstarter-Aktion zu Brandon Sandersons Geheimbücher-Projekt ging online, das Internet knirschte einmal kräftig, und binnen 24 Stunden kamen sagenhafte 15 Millionen US-Dollar zusammen. Aber es wurde noch verrückter und ehrfurchtgebietender, denn am Ende unterstützten 185.341 Menschen die Kampagne mit 41,75 Millionen US-Dollar. Kurz sacken lassen … okay, weiter: Die Buchwelt fürchtete direkt den Umbruch, Kickstarter hatte eine neue Alltime-Bestmarke. Sicherlich schadete es nicht, dass Sanderson unterwegs schon alle Rekorde gebrochen hatte, viel Aufmerksamkeit generierte und irgendwann alle großen Zeitungen, News-Sites, Business-Portale über die ganze Sache berichteten, und sich dadurch letztlich noch mehr Menschen beteiligten. Das Ergebnis schrieb jedenfalls Kickstarter- und Literatur-Geschichte.

Natürlich ist das in erster Linie die Krönung eines langen Weges und ausdauernden Ganges: Eines international etablierten Autors, der an die 20 Jahre Buch um Buch, schließlich Bestseller um Bestseller vorgelegt hat, seine Fans in Hinsicht der konstanten Fortführung und der Umsetzung seiner angekündigten Pläne nie enttäuscht hat; der seiner Anhängerschaft zudem immer sehr nahe gewesen ist, vermutlich auch aufgrund seines Alters und seiner organischen Vertrautheit mit Websites, Foren, Social Media; und der nun einen bisher beispiellosen Pfad zwischen klassischen Bestseller-Veröffentlichungen bei großen Verlagen und alternativen Selfpublishing-Methoden gefunden hat – allein mit dem Aufstieg und Einfluss von BookTok, der Online-Vernetzung der Buchszene, erklärt sich das nicht, das wäre viel zu einfach und würde dem Phänomen Brandon Sanderson keineswegs gerecht werden.

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Aber zurück zu den Büchern, die über Kickstarter ihren Weg in die englischsprachige Existenz fanden, und als Lizenzen auf viele andere Märkte gelangten und gelangen (auf Deutsch kommen sie bei Heyne, Piper und Droemer-Knaur). Unter anderem entstanden das sehr hübsche eigenständige Kosmeer-Piraten-Märchen „Weit über der smaragdgrünen See”, der Standalone-Zeitreise-Roman „Handbuch für den genügsamen Zauberer: Überleben im mittelalterlichen England“ und eben das gleichfalls solo zu lesende Kosmeer-Abenteuer „Das Herz der Sonne“ aus dem Raumzeitalter des Vorzeige-Sanderson-Franchise.


Brandon Sanderson. Foto © Nazrilof

Es liegt allerdings eine gewisse genre-interne Ironie darin, dass dieser neumodisch, dieser online initiierte und gehypte Kosmeer-Roman mit digitalen Wurzeln durch und durch old-fashioned ist: Der mysteriöse Protagonist namens Nomad landet auf einem ihm unbekannten Planten, wo manche der menschenähnlichen Bewohnerinnen und Bewohner von innen heraus wie feurige Kohlen glühen, Pflanzen binnen eines Tages wachsen und geerntet werden müssen, die gnadenlose Sonne tagsüber alles Leben verbrennt, Menschenopfer dargebracht werden. Wo viele Flugschiffe zu einer gigantischen Stadt zusammenklicken und Schweberäder zu einem riesigen Gefährt fusionieren. Und wo es, natürlich, eine tapfere Rebellion gegen ein übermächtiges, böses System gibt. All das, genauso wie Nomad selbst, erkundet man beim Lesen Kapitel für Kapitel, und das erinnert schon an die ebenso abenteuerlichen wie ideenreichen Bücher einer anderen, weiter zurückliegenden SF-Ära. Doch Revoluzzer und Rekordbrecher Brandon Sanderson hat ja mehr als einmal gesagt, dass diese Kickstarter-Überraschungsbücher alle auf die eine oder andere Art etwas Besonderes seien, für ihn wie für die Lesenden.

Übrigens versteht man alle Kosmeer-Kickstarter-Kreationen auch ohne Kenntnis anderer Werke jener Serie, die seit zwei Dekaden Fantasy, SF und sogar Western durch die jeweiligen Zyklen innerhalb des Sanderson’schen Schaffens verbindet. Im Falle eines Erstkontakts liest man daher schlicht und ergreifend ein eher klassisch tickendes Science-Fantasy-Abenteuer über einen Planetenwanderer, der eine sarkastische KI als Begleiter hat, die sich in Form von Waffen und Werkzeugen manifestieren kann, und der auf einer brennenden Welt von einem Schlamassel in den nächsten gerät. Ein bisschen so, als würde man nie wissen, welche Geschichte oder Superlative einem Bestsellerautor Brandon Sanderson als nächstes beschert.

Brandon Sanderson: Das Herz der Sonne • Roman • Aus dem Amerikanischen von Michael Siefener • Heyne, München 2024 • 464 Seiten • Erhältlich als Hardcover, eBook und Hörbuch Download • Preis des Hardcovers: € 24,00 • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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