24. Juni 2021 1 Likes

Im Gespräch mit Markus Heitz („Collector“)

Zwischen Corona und Alien-Erstkontakt: Der Bestsellerautor im Interview

Lesezeit: 8 min.

Markus Heitz (im Shop) ist ein deutscher Bestsellerautor und dabei in vielen Genres unterwegs: Fantasy, Thriller, Horror, Mystery, Historienroman – und auch in der Science-Fiction. Während der Schöpfer von beliebten Fantasy-Serien wie „Die Zwerge“ und „Die Legenden der Albae“ am Anfang seiner Karriere z. B. viele Romane zum legendären Dark Future-Rollenspiel „Shadowrun“ verfasste, sicherte er sich später sogar die Rechte am amerikanischen SF-Rollenspiel „Justifiers“ aus den 1980ern, in dessen modernisiertem Kosmos mehrere Romane verschiedener deutschsprachiger Autoren herauskamen. Der 1971 geborene Heitz siedelte obendrein seinen eigenständigen Collector“-Zweiteiler in diesem abenteuerlichen Science-Fiction-Universum an. Dieser setzt im Jahr 3042 ein, wo die Menschheit das All besiedelt hat und der Erstkontakt mit den außerirdischen Collectors für viele Gefahren und reichlich Spannung sorgt. Beide „Collector“-Romane sind soeben als Sammelband (im Shop) bei Heyne neu aufgelegt worden. Im diezukunft.de-Interview spricht Markus Heitz über Leben und Schreiben während der Pandemie, den möglichen Erstkontakt mit Aliens, Captain Future und seine prägenden Einflüsse in Sachen Science-Fiction.

 


Markus Heitz. Foto © Stefan Freund

Hallo Markus. Wie hast du den Kampf gegen die Covid-19-Pandemie erlebt – und was würdest du daraus für einen Erstkontakt oder gar einen Konflikt der Menschheit mit Aliens ableiten?

Du meinst, es wäre eine gute Gelegenheit, ein paar neue Verschwörungstheorien zu platzieren? Zum Beispiel … warum die USA gerade JETZT die ganzen Berichte zu Flugkörpersichtungen veröffentlichen? Den WAHREN Grund für die Schaffung der Space Force von Trump? Warum die NATO den Bündnisfall in Zukunft auch im Weltall ausrufen will? Du meinst, das hat alles was mit C19 zu tun? Und Aliens? Dass sie entweder gekommen sind, um uns alle zu retten oder C19 platziert haben, um uns dann zu retten, oder sie einfach nur testen, wie geschickt oder dämlich sich die Menschheit bei vergleichsweise harmlosen Viren anstellt, um mit was Härterem nachzulegen? Mh … Lass mich nachdenken … Nein, das wäre mir zu anstrengend. Am Ende landet so was im Netz, also diesem Internet, das sich nie durchsetzen wird, weil es eine Erfindung des Militärs…. Verdammt. Es ist echt schwer, keine Verschwörung draus zu stricken.

Was das Learning für den Erstkontakt angeht, da bleibe ich bei der gängigen Linie, dass es ähnlich ablaufen wird wie bei Kolumbus und den Indigenen: Eine Seite ist technologisch überlegen, will etwas haben und fackelt am Ende nicht lange, wenn es Stress und Uneinsichtigkeit auf Seiten der Schwächeren gibt. Ob das nun Sand, Salzwasser, Gold, Holz oder Menschenfleisch ist, spielt dabei keine Rolle. Die Enterprise-wird-sind-eine-große-Sternenflottefamilie-Version fände ich auch schöner, aber irgendwie… Alternativ verschlägt es ein Unfall-Ufo auf die Erde, offiziell, oder wie „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ und … nein, auch schwierig.

Letztlich fürchte ich fast, dass wir bei den Extraterrestrischen so was wie ein lustiger Dauerwitz sind, und sie summen immer wieder mal vorbei, um eine Runde zu lachen. Wie sonst kämen die vielen Sichtungen zustande (wenn es denn wirklich Aliens sind)? „Hey, komm wir fliegen eine Runde zu den Irren, die sich immer noch wegen Kleinigkeiten streiten, den Krieg erklären und atomar wegbomben. Sogar wegen möglichen Entitäten, von denen sie nicht mal wissen, ob sie existieren. Die sind sooo lustig!“ Es gibt bestimmt Angebote für Tagesausflüge zur Erde mit anschließender Verkostung von Erdprodukten, die man erstehen kann.

Aber ich schweife ab…

Wie so ein offizieller Erstkontakt wirklich abläuft und ob die Menschheit aus dem Kampf gegen die Pandemie dafür etwas gelernt hat, das weiß keiner. Ich würde aber von Applaus und Tauben abraten, zur Sicherheit. Letztlich ist es aber so, dass man sich mit Wesen, welche die Langstreckenraumfahrt beherrschen, nicht unbedingt anlegen sollte. Da sind wir wieder bei der Mentalität des Menschen: Ich habe da so meine Bedenken. Kann ich nochmals das Sternenflotte-Ende sehen? Das wäre für uns definitiv besser. Oder wie in „Krieg der Welten“! Viren und Bakterien gehen immer… no, wait.

Was ich im Kampf gegen die Pandemie erlebt habe und davon ableiten kann: Manche Leute missachten die einfachsten Regeln absichtlich oder aus Naivität und benehmen sich damit wie jene Charaktere in Standardkatastrophenfilmen, vor denen man staunend sitzt und sich fragt, wie blöd man sein kann! Und welcher Scriptwriter für DAS verantwortlich war! So wird es vermutlich auch beim Erstkontakt sein: Jemand klatscht dann doch und lässt eine Taube fliegen. Wetten?

Hat Corona deinen Alltag, vielleicht auch deinen Schreiballtag, verändert? Hat es dich womöglich sogar für neue Projekte in Sachen Endzeit oder Apokalypse inspiriert?

Meinen Schreiballtag kein Stück weit. Ich bin es gewohnt, lange und alleine für mich zu Hause zu sein und zu schreiben. Da machte Corona keinen Unterschied. Ansonsten schränkte es mich in der Bewegungsfreiheit und in der Lebensqualität ein wie die alle anderen auch, vom spontanen Recherchereisen ganz zu schweigen. Aber hilft nix, müssen wir durch. Inspiration gab es auch keine, denn: Das ganze Pandemie-Thema wurde witzigerweise in den Jahren zuvor schon lange durchgespielt, meistens im Kino, von „Outbreak“ bis alles, was danach kam.

Vorbereitet war man theoretisch auf Corona. Lange. Viele sahen die Filme und dachten danach: „Hahaha, wie tapsig die sich anstellen. Puh, gut, dass das nicht passiert und wir vorbereitet sind.“ Oder man verfolgte Ebola und war erleichtert, dass es weit, weit weg ist. Well, well, hold my world wide virus. Auch in Sachen Dystopie und Apokalypse sind die Filmemacher und die Buchmenschen fleißig gewesen. Ich kann nicht sagen, weswegen mich diese Genres nicht so richtig kickten, aber es … fehlte mir etwas. Eine der besten Dystopien der letzten Jahre aus dem Kino ist und bleibt für mich übrigens der unterschätzte Film „Equilibrium“ von 2002 mit Christian Bale. Weil es stylischer und nicht weniger böse und dabei philosophisch ist. Aber Dreck, Sand, Wüste, Wildnis, Schlägerei um Wasser und Sprit, Schwitzen, Sonnenbrand, ach, nein. Dann lieber Cyberpunk, Chrom und Neonlicht. Von daher gab es keinerlei Umstellungen in meinem Schreibplan. Ich werde diese Genres nicht ausschließen, doch derzeit habe ich nichts Derartiges geplant. Man weiß nie, ne?

Die Geschichte der Collectors begann 2012, du hast sie in der Zukunft des Jahres 3042 angesiedelt. Gut zehn Jahre später: Fühlst du dich rückschauend eher als „Prophet“, was manch eine Idee oder einen Gedanken angeht, oder ist einem als SF-Autor der Fortschritt sowieso immer auf den Fersen?

Prophet? Nein. Es sind ja noch keine Aliens aufgetaucht, die uns zum Fressen gernhaben – und ich hoffe doch sehr, dass es so bleibt! Wirklich! Ich will dabei überhaupt gar nicht rechthaben und später sagen können: „Ha, ha! Ich habe es doch gewusst!“ Schlechter und teurer Sieg, gerade als potentielle Hauptmahlzeit für eine Alienfamilie. Generell ist der reale Fortschritt in Sachen Space oder Science-Fiction mit allen Untersparten natürlich immer irgendwie im Raum. Meistens geschehen große Durchbrüche in der Technologie verschiedenster Bereiche eher leise, weil es Anfänge sind. Man muss lange suchen und graben, bis man darauf stößt, oft sind es Kleinstmeldungen, da seriöse Wissenschaftsleute eher zurückhaltend sind, bis alles bewiesen und erforscht ist. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass vieles, was in aktuellen Romanen steht, durchaus Realität werden kann und streckenweise schneller wahr wird, als wir uns das vorstellen, gerade im Medizinbereich, Stichwort Stammzellentherapie und mRNA-Impfstoffe oder Implantate.

Was waren eigentlich deine prägenden frühen SF-Erlebnisse oder -Einflüsse?

Na ja, es ist kein Geheimnis, dass ich als Jahrgang 1971 natürlich Captain Future-Fan bin. Die erste reale SF-Erfahrung, wenn man so möchte. Schade, dass ich die Action-Figuren nicht mehr besitze. Aber dafür habe ich inzwischen die ganzen Folgen auf DVD, auch die unveröffentlichten. Immerhin. Und wie die meisten äuge ich kritisch-vorfreudig auf die sporadischen News zu Plänen der Realverfilmung. Danach entdeckte ich in der Dorfbibliothek die Mark Brandis-Romane, von denen ich zuerst dachte, es sei etwas Amerikanisches, und spitzelte gegen den Willen meiner Eltern, die das Genre eher seltsam fanden, in die „Raumschiff Enterprise“-Serie, bis ich in der fünften Klasse am Gymnasium die Silberbände von Perry Rhodan fand. Danach ging es über Asimov rüber zu Philip K. Dick, dessen Storys ich ausgezeichnet fand. Alles dabei: schräg, unterhaltsam, böse. Hollywood fand das auch, wie die vielen Verfilmungen zeigen.

Nicht zuletzt gab es dieses wunderbare Pen & Paper Rollenspiel JUSTIFIERS aus den späten 80ern, das ich zuerst spielte und dessen Rechte ich mir sicherte, als es vom Markt verschwand. Auf dessen Basis und mit dem Ausbau bzw. der Modernisierung des RPG-Hintergrundes kam es zu den beiden „Collector“-Bänden und den wundervollen zehn Romanen von Autorinnen und Autoren in diesem Universum.

Du bist ja in allen Genres aktiv – SF, Fantasy, Horror, Historienroman. Fällt es dir schwer, bei den Projekten zu wechseln, oder ist das genau die Abwechslung, die du brauchst?

Als Rollenspieler der ersten Stunde ist Abwechslung ein Muss. Zumindest für mich.

Wenn man Spaß daran hat, in den verschiedensten Settings unterwegs zu sein, Möglichkeiten zu entdecken, Abenteuer zu erleben – weswegen limitieren? Mir fallen immer genug Stoffe und Ansätze ein, um mich austoben zu können. Was ich in den letzten fast zwanzig Jahren an Romanen veröffentlicht habe, ist nur ein Bruchteil der gesammelten Stoffe und Ideen, die alle noch warten, drängeln und erzählt werden möchten

… wie war das mit der Unsterblichkeitsformel?

Ein Pilot, ein Priester, eine Söldnerin, Alien-Gedankenleser und gedankliche Maschinenlenker – welche Figur in „Collectors“ war am schwierigsten zu schreiben, und welche hat am meisten Spaß gemacht?

Davon war nix, gar nix schwer oder schwierig. Und Spaß gemacht hat alles, riesigen Spaß. Ich habe den besten Job der Welt für mich gefunden! So einfach ist das.

Diversität ist wichtiger denn je. In „Collectors“ gibt es z. B. einige starke Frauenfiguren. Achtest du beim Konzipieren und Schreiben seit jeher bewusst auf Vielfalt, oder hat sich das für dich immer natürlich ergeben?

Durch das Pen-and-Paper-Rollenspiel war es normal, in einer Runde verschiedenste Wesen als Spieler zu führen, von Aliens über Vampire, Monster, Mutanten, Roboter und vieles mehr, die sehr verschiedene Einstellungen und Vorlieben hatten. Mehr Diversität geht fast nicht mehr, wenn ich es recht bedenke. Starke Frauencharaktere gehörten daher von Anfang an mit in meine Romane, schon in meinem ältesten Werk „Ulldart“ - weil ich es immer als Bereicherung und als normal ansah: Heldin, Schurkin, mal absichtlich, mal unabsichtlich.

Irgendwelche abschließenden Worte an deine Fans, die zuletzt auf viele geplante Events und Messe-Treffen mit dir verzichten mussten?

Weniger staatstragend, aber popkulturell und mit SF-Bezug: „I’ll be back!“

Markus Heitz: „Collector – Die Saga“ • Zwei Romane in einem Band, mit Bonusmaterial • Wilhelm Heyne Verlag, München 2021 • 1200 Seiten • E-Book: 13,99 Euro (im Shop)

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