30. Oktober 2020 1 Likes

Im Gespräch mit „Last Human“-Autor Zack Jordan

Alien-Spinnen, Arthur C. Clarke, KI und große Konzepte

Lesezeit: 6 min.

In seinem Debütroman „Last Human – Allein gegen die Galaxis“ (im Shop) stellt uns der Amerikaner Zack Jordan, der u. a. Kunst und Philosophie studierte, neben dem Schreiben auch musiziert und bereits für das Verteidigungsministerium arbeitete sowie als Game-Designer an „World of Tanks“ und „F.E.A.R.“ mitwirkte, die junge Sarya vor. Der letzte Mensch des Universums wird von der Alien-Spinnen-Kriegerin Shenya auf einer Raumstation großgezogen. Doch dann überschlagen sich die Ereignisse eines Tages, und Sarya muss plötzlich in den galaktischen Weiten des Netzwerks überleben: des virtuellen, kommunikativen, politischen und Hyperraum-Reisen ermöglichenden Verbunds von Millionen Arten und Spezies – von den vielen künstlichen Intelligenzen darin gar nicht erst zu sprechen. Zack Jordans bis obenhin mit tollen Figuren und starken Ideen vollgepackter Roman ist ein Space-Opera-Blockbuster, der auf gewaltige Bilder und Szenen setzt, die außerhalb der Vorstellungskraft nicht zu verarbeiten wären und selbst das Kopfkino vor echte Herausforderungen stellen. Im Interview spricht der mit seiner Familie in Chicago lebende Jordan über seinen SF-Roman, den dazugehörigen Webcomic, wieso er Trigonometrie vom Lehrplan streichen würde, warum alle Eltern Aliens großziehen und welchen Einfluss Arthur C. Clarke und J. R. R. Tolkien auf ihn hatten.

 


Zack Jordan. Foto © Toni Fiorito

Hallo Zack. Was sind deine persönlichen Einflüsse und Favoriten in Sachen Science-Fiction?

Der nachhaltig prägendste Moment meines Lebens war, als ich Arthur C. Clarkes Kurzgeschichte „Rettungsexpedition“ in einem uralten Taschenbuch entdeckte. Sie zertrümmerte mein zehn Jahre altes Gehirn. Ich erinnere mich daran, nachts wach zu liegen, über den letzten Satz dieser Story nachzudenken und in der Dunkelheit zu schaudern, während ich darüber nachgrübelte, was als nächstes für die Galaxis kommen würde. (Die Antwort ist natürlich das 100% nichtautorisierte Sequel mit dem Titel „Last Human“).

Ich wuchs mit der vorangegangenen Generation SF auf, Clarke (im Shop), Asimov (im Shop), Le Guin, Bujold und natürlich Adams, doch heute liebe ich den neueren Stoff. Im Moment bin ich besonders von Charlie Jane Anders, Yoon Ha Lee und Cixin Liu (im Shop) begeistert.

In deinem Roman gibt es ebenfalls ziemlich viel Hard-SF. Hast du dich schon immer für Wissenschaft und speziell Astronomie interessiert?

Jeder interessiert sich für Astronomie! Meine neunjährige Tochter versucht, Löcher in der allgemeinen Relativitätstheorie zu finden, seit sie davon weiß („du meinst, ich könnte meine Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel treffen?“); und Dinge wie Neutronensterne, Quasare und Schwarze Löcher können die Vorstellungskraft von jedem einfangen. Ich denke, dass die Leute bloß nicht früh genug darüber lernen.

Ist es schwerer, aus der Perspektive einer tödlichen Alien-Spinnen-Kriegerin zu schreiben, oder aus der eines kleines Mädchens?

Ich fand sehr früh heraus, dass ich keine tödliche Alien-Kriegerin schrieb: Ich schrieb, was alle Eltern fühlen an dem einen oder anderen Punkt … aber mit dem Regler auf elf gedreht. Früher dachte ich, das läge nur an mir, doch inzwischen bekomme ich so viele Nachrichten von Eltern, die mir sagen, dass ich nicht das einzige Krieger-Elternteil da draußen bin.

Ein junges Mädchen zu schreiben ist da schon eine weit größere Herausforderung. Sie basiert zu einem Großteil auf meinen Beobachtungen meiner beiden Töchter – eine Extrapolation dessen, wie sie sein könnten, wenn sie größer werden.

Mir graust es vor Spinnen, aber beim Lesen von „Last Human“ liebte ich Shenya. Wie ist deine Beziehung zu Spinnen?

Ich liebe Shenya auch, was ein bisschen seltsam ist. Ich habe keine Angst vor normalgroßen Spinnen, aber Tolkiens Kankra war der furchteinflößendste Bösewicht meiner Kindheit. Doch aus genau diesem Grund habe ich diese Form gewählt; ich wollte die fremdartigste, alienmäßigste Perspektive, die man sich nur vorstellen kann.

Wie wichtig war deine Erfahrung mit Philosophie für die Stellen des Romans, in denen es um künstliche Intelligenz, Individuen, Personen und Identität geht?

Philosophie ist mir wichtig. Wenn es nach mir ginge, würde ich Trigonometrie von Schulbildungsplänen streichen und mit grundlegender Logik und Vernunft ersetzen. Wie auch immer, vermutlich wurden meine Gedanken zu künstlicher Intelligenz jedoch mehr von meinem technischen Background geformt. Ich habe mit einigen phänomenalen Programmierern zusammengearbeitet, und du wärest erstaunt, was für schreckliche oder witzige Dinge deren Code manchmal tut. Es wäre bloß nicht mehr so lustig, würde dieser Code sich selbst bearbeiten und in einem Kernkraftwerk oder einem Netzwerk zur Nahrungsmittelverteilung eingebettet sein …

Glaubst du, dass wir – wie die Figuren in deinem Roman – alle von Kräften gelenkt werden, von denen wir nicht einmal etwas ahnen und die wir deshalb womöglich Schicksal nennen, mangels besseren Wissens?

Ehrlich gesagt hoffe ich, dass wir von Kräften beeinflusst werden, von denen wir nichts wissen, oder zumindest von etwas Größerem als uns selbst. Ich denke auch, dass ein Universum, in dem wir existieren, zu 100% identisch ist mit dem, in dem wir nicht existieren – aus unserer lachhaft beschränkten Perspektive.

Im Buch erzeugst und nutzt du Bilder, Skalen und Mengen, die beinahe die Leinwand des Kopfkinos sprengen. Ist das Absicht? Um SF-Szenen zu kreieren, die man nicht im Kino oder Fernsehen, in Comics oder Games sehen kann? Um zu zeigen: Romane sind noch immer das Größte?

Ich bin sehr an Dingen interessiert, die außerhalb der menschlichen Fassungs- und Vorstellungskraft liegen. Und es ist wahr: Dieses Zeug siehst du nicht in visuellen Medien, und dafür gibt es einen Grund: es ist einfach zu groß. Du kriegst die Konzepte nicht durch Sinne, die dafür gemacht wurden, Raubtiere und Beute zu erfassen. Das Gehirn allerdings kann sie sehr wohl handhaben: du musst die Konzepte lediglich als Saaten einschmuggeln und versuchen, sie im Inneren wachsen zu lassen. So weit ich das sagen kann, sind Geschichten, die sich auf die Vorstellung anstelle der Sinne verlassen, der einzige Weg, das zu bewerkstelligen.


Aus dem Webcomic „The Last Human (in a Crowded Galaxy)“

Es gibt auch einen Webcomic zum Roman, über Shenya als Mutter und die junge Sarya, die beide noch nicht viel Erfahrung miteinander haben …

Meiner bescheidenen Meinung nach ist dieser Webcomic das Beste, was ich jemals zum Internet beigetragen habe. Ich schreibe und skizziere alle Episoden und übergebe dann an einen echten Künstler für die finalen Zeichnungen. Luyi Bennett half mir mit den ersten sechzehn Episoden, und in Zukunft werden auch einige andere Künstler mitmachen. In den nächsten Monaten werde ich außerdem einige wichtige Fragen beantworten, die der Roman aufgebracht hat.

Das Konzept ist simpel: Vor einiger Zeit fragte ich mich, wie es wäre, ein Alien aufzuziehen. Doch dann wurde mir klar: Ich tue das bereits. Alle Eltern tun es. Wenn man Eltern wird, gibt dir ein Doktor oder Geburtshelfer ein kleines, unvertrautes lebendiges Ding – ein Alien. Trotzdem kannst du nicht anders als es zu lieben. Jetzt liegt es in deiner Verantwortung herauszufinden, wie es funktioniert und wie du es zu einem Erwachsenen heranwachsen lässt. Der Comic ist ein tiefer Tauchgang in diesen Gedanken, gespeist von meinen eigenen Erfahrungen, meine beiden kleinen Aliens aufzuziehen.

„Last Human“ wurde vor Corona geschrieben. Hätte Covid-19 das Buch verändert, und wird es künftige Geschichten von dir, vielleicht sogar mehr verwandeln?

Darüber habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht. In meinen Augen wird Covid-19 alles verändern, und ich kann nur hoffen, dass zum Besseren. Ich gehe davon aus, dass der Roman anders geworden wäre, weil ich jetzt bemerke, dass der Comic und das zweite Buch – beide unter den Eindrücken von Covid geschrieben – drastisch anders sind. Sie geben meine eigene Antwort wider, die darin besteht, sich auf Hoffnung für die Zukunft zu konzentrieren.

Gibt es noch etwas, das du deinen deutschen Lesern gern sagen würdest?

Ja: Ich will von euch hören! Ihr könnt mir via @USKillbotics auf Twitter, Instagram, Imgur und Reddit Nachrichten schreiben. Ich hoffe auch, noch einmal in euer schönes Land kommen zu können, sobald Covid unter Kontrolle ist. Bis dahin sehen wir uns im Internet!

Autorenfoto: © Toni Fiorito

Zack Jordan: Last Human – Allein gegen die Galaxis • Heyne, München 2020 • 544 Seiten • E-Book: 12,99 (im Shop)

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