13. Mai 2020

Streaming-Tipp: „Undone“

Zwischen Schizophrenie und Surrealismus

Lesezeit: 3 min.

Wenn es nicht gerade um sprechende Tiere oder sonstige Fabelwesen geht stellt sich beim Animationsfilm manchmal die Frage, warum eine Geschichte genau in dieser Ästhetik erzählt werden soll oder gar muss. So auch in der ersten Folge von „Undone“, der ersten animierten Serie für Erwachsene, die bei Amazon Prime zu sehen ist.

Denn die von Raphael Bob-Waksberg und Kate Purdy erdachte Serie beginnt sehr bodenständig: Die im texanischen San Antonio lebende Alma (Rosa Salazar) überlebt nur knapp einen schweren Autounfall. Während sie sich anschließend mit den Hochzeitsvorbereitungen ihrer jüngeren Schwester Becca (Angelique Cabral) und ihrer Mutter Camila (Constance Marie) herumschlägt, sieht sie immer häufiger auch ihren Vater Jacob (Bob Odenkirk). Was seltsam ist, denn Jacob ist schon seit Jahren tot, gestorben bei einem Autounfall.

Und so beginnt die Geschichte, die anfangs wie eine Soap Opera wirkt (und in den schwächeren Momenten der acht Teile auch immer wieder zu einer wird), sich in die Richtung zu entwickeln, die erklärt, warum es kaum möglich wäre, sie in einem anderen Medium als der Animation zu erzählen. Denn die Vision ihres toten Vaters bleiben nicht darauf beschränkt, dass Alma ihn in ihrer Realität sieht. Vielmehr beginnen für Alma die Zeitebenen zu zerfließen, findet sie sich mal in Momenten ihrer Kindheit wieder, sieht sie mal ihren Vater bei der Arbeit, einer Arbeit, die möglicherweise zum Geheimnis um seinen Tod führt: Als Neurologe forschte er an den Folgen von Schizophrenie, der Idee, dass allein durch die Kraft des Geistes Raum und Zeit verschmelzen können und im Extremfall sogar die Vergangenheit verändert werden kann.

Schon in ihrer Erfolgsserie „BoJac Horseman“ hatten sich Bob-Waksberg und Purdy mit Fragen von Trauma und Geisteskrankheit beschäftigt, damals noch auf klassische, wenn auch expressive Weise animiert. Hier verwenden sie das Rotoscope-Verfahren, bei dem reale Schauspieler gefilmt werden, um anschließend übermalt zu werden. Ein ganz markanter Stil entsteht so, leicht flirrende Bilder, die zu real sind, um ganz animiert zu wirken, aber auch zu künstlich, um real zu sein.

Verantwortlich für die Ästhetik von „Undone“ waren dieselben Animateure, die auch für Richard Linklaters „Waking Life“ und „A Scanner Darkly“ (nach dem Roman von Philip K. Dick) verantwortlich waren, zwei der bekanntesten Spielfilme in Rotoscope. Vielleicht kein Zufall, dass sowohl diese beiden Filme, als auch „Undone“ sich in ähnlichen Sphären bewegen, in Welten, die durch Halluzinationen oder Halluzinogene entstehen, in denen nicht mehr klar ist, was Realität und was Vision ist.

Im Gegensatz zu den Linklater-Filmen ist „Undone“ immer auch um Bodenhaftung bemüht, driftet immer wieder in eher konventionelle Gefilde ab. Doch in den Momenten, in denen sich Alma durch Raum und Zeit bewegt, in ihrer Erinnerung, in ihrer Vergangenheit nach Antworten sucht, entwickelt „Undone“ große Qualitäten und bewegt sich auf spannende Weise in Gefilden zwischen Schizophrenie und Surrealismus.

Undone • USA 2019 • Creator: Raphael Bob-Waksberg & Kate Purdy • Darsteller: Rosa Salazar, Angelique Cabral, Constance Marie, Bob Odenkirk • 8 Folgen bei Amazon Prime

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