17. Februar 2024

„Linoleum – Das All und all das“ – Sci-Fi-Mystery und Lebenskrise

Man muss nicht immer zu den Sternen fliegen

Lesezeit: 3 min.

Der Traumberuf wurde nicht ergattert, Cameron Edwin ist nur Astronom geworden, kein Astronaut. Die vom bisherigen Leben ebenso nicht gerade begeisterte Ehefrau Erin (Rhea Seehorn), die ihm einst bei seiner Wissenschaftsshow für Kinder assistierte und für die das bald 50-jährige Herz noch immer schlägt, will sich scheiden lassen und der Vater wird zusehends dementer. Aber nicht genug: Wegen mauer Einschaltquoten seiner Sendung soll er durch den Ex-Astronauten Kent Armstrong, eine jüngere, besser aussehende, erfolgreichere Version seiner selbst (beide Rollen werden vom hierzulande kaum bekannten Standup-Komiker Jim Gaffigan gespielt), ersetzt werden und zu allem Überfluss zieht ausgerechnet der auch noch ins Nachbarhaus.

Stoff für eine Midlife Crisis Deluxe also. Allerdings versumpft Cameron nicht im selbstmitleidigen Mittelschichtsgejammer, sondern macht weiter und lässt sich selbst dann kaum aus der Bahn bringen, als immer mehr mysteriöse Dinge passieren: Gleich am Anfang fällt dem radelnden Moderator ein roter Sportwagen vor die Füße. Im vom Himmel gefallenen Automobil sitzt der bewusstlose Kent, allerdings weiß dieser bei ihrem Zusammentreffen im Fernsehstudio von nichts. Des Weiteren plumpst ein russischer Satellit auf Camerons Hinterhofgarage, und was ist das eigentlich für eine alte Frau, die immer mal wieder auftaucht und ihn so seltsam anschaut?

Doch der Gebeutelte nimmt’s hin und fängt an aus den Trümmern des Satelliten eine Rakete zu bauen, um sich seinen Astronautentraum doch noch zu erfüllen. Währenddessen kommen sich seine in Hinblick auf ihre sexuelle Orientierung unentschlossene Tochter Nora und Kents Sohn Marc näher, womit Kent ein großes Problem hat und das lässt sich nicht so leicht ignorieren, denn die jüngere, besser aussehende, erfolgreichere Version von Cameron hat im Gegensatz zu diesem eine düstere, gewalttätige Ader …

Wie man an der Inhaltsangabe sieht, handelt es sich bei „Linoleum – Das All und all das“ um einen Film, der eine Reihe von recht verschiedenen Baustellen aufmacht. Der dadurch entstehende, unbeständige Tonfall – es wird munter zwischen wo-sind-die-Jahre-nur-hin-Melancholie, spleeniger Comedy (was vor allem Camerons putzige Wissenschaftsshows betrifft), Drama, Liebesfilm und „Donnie Dark“-mäßigen Einschüben hin- und hergewechselt –, wird am Ende mit einem Twist gut begründet. Allerdings könnten auch die guten bis hervorragenden Darsteller nicht so ganz darüber hinwegtäuschen, dass man auf inhaltlicher Ebene etwas zuviel auf einmal will und ausgerechnet das Trübsalgeblase zwischen der Hauptfigur und seiner Gattin ein bisschen als Behauptung im Raum steht.

Dafür aber strahlt „Linoleum“ in einem Nebenerzählstrang heller als tausend Sonnen: Die vorsichtige Annäherung zwischen den beiden Außenseitern Marc und Nora (fantastisch gespielt von Gabriel Rush und Katelyn Nico) bringt die Leinwand mit viel, viel Gefühl für die jugendlichen Protagonisten derart zum Knistern, dass es spätestens wenn Marc und Nora durch die vom Bahnhofsflutlicht und Kleinstadtfunkeln durchdrungenen Nacht tollen, fast schon wieder ein bisschen schade anmutet, wenn das schön gefilmte und mit einem sich zwischen träumerisch und melancholisch bewegenden Synthesizer-Score von Mark Hedley unterlegte Werk wieder zur Welt der Erwachsenen zurückkehrt. Dort werden in einem rührenden Zeit und Raum sprengenden Finale dann sämtliche Fäden zusammengeführt und Regisseur und Drehbuchautor Colin West entlässt einen mit der Botschaft, dass Zukunft immer auch ein Teil der Gegenwart ist.

Tipp: Sollte man sich als Double Feature mit dem erst kürzlich angelaufenen „A Great Place To Call Home anschauen – beide Filme passen so gut zueinander wie Marc und Nora: Außenseiter, ähnliche Interessen, attraktiv, smart und wirklich wahnsinnig charmant!

Linoleum – Das All und all das • USA 2022 • Regie: Colin West • Darsteller: Jim Gaffigan, Rhea Seehorn, Katelyn Nacon, Gabriel Rush, Amy Hargreaves, Michael Ian Black • jetzt im Kino

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