1. Dezember 2023

„Godzilla Minus One“ – Superbes Comeback des Monsterkönigs

Die Japaner können’s einfach besser

Lesezeit: 4 min.

Natürlich, nicht alles was in Sachen Godzilla aus Japan kommt, ist automatisch Gold. Über manches, über den letzten Film etwa, „Shin Godzilla“, lässt sich vortrefflich streiten. Es ist aber eben auch so, dass die Japaner einen ganz speziellen Bezug zu ihrem zerstörungswütigen Maskottchen haben und der macht die Filme immer irgendwie besonders. Eine Verbindung, die kein Geld der Welt ersetzt.

Natürlich kann der 15 Millionen Dollar teure „Godzilla Minus One“ in Sachen State-of-the-Art-Effekten mit den 200 Millionen teuren US-Produktionen „Godzilla II: King of the Monsters“ und „Godzilla vs. Kong“ (2021) nicht ganz mithalten, es ist absurd, wie viele Kritiker aktuell drauf hinweisen, der Punkt ist: Man will das ja gar nicht.

Möglichst „gute“ Effekte sind nicht das Entscheidende. Die Filme funktionieren – abgesehen vom symbolischen Gehalt (gemeint ist natürlich vor allem die Metapher auf den Atomkrieg, die hier ebenso genutzt wird) – in erster Linie als spielerische, kathartische Allmachtsfantasien kleiner oder längst groß gewordener kleiner Jungs. „Die Simpsons“ hatten mit Bart Simpsons immer mal wieder in Frustsituationen auftauchender Fantasiefigur Bartzilla bereits Anfang der 1990er-Jahre auf sehr amüsante Weise drauf hingewiesen.

Dieser Umstand macht sich allein schon in der Gestaltung der Japan-Godzillas bemerkbar. Da bleiben die Gummianzüge zwar mittlerweile im Schrank, aber bemerkenswerterweise verzichten die CGI-Godzillas auf den „Realismus“ der US-Counterparts, lehnen sich in ihren Designs an die creature suits vergangener Tage an, vermitteln in vielen Szenen einen Hauch von Menschlichkeit, das Gefühl, dass da jemand drin steckten könnte.

Der japanische Godzilla ist ein Stück weit Identifikationsfigur, die stellvertretend für den Zuschauer mal so richtig hemmungslos Dampf ablässt. Aber dazu besteht eben nur die Möglichkeit, wenn die Möglichkeit angeboten wird, an die Figur anzudocken, quasi in die Haut des Monsters zu schlüpfen. Real anmutende Wesen ohne jegliche Anknüpfpunkte verfehlen da ihren Zweck. Die japanischen „Godzilla“-Filme liegen amerikanischen Slasherfilm-Reihen à la „Freitag der 13.“ oder „Halloween“ in ihrer Funktionsweise jedenfalls deutlich näher als ihren amerikanischen Pendants, ohne aber die Brutalität der Schlitzer-Filme zu bedienen. Die Nippon-Godzillas wollen letztendlich nur spielen, so richtig heftig wird’s nie, wie bei den mystischen Meuchelmördern gibt’s menschliche Charaktere, die für eine moralische Verankerung sorgen und gucken, dass am Ende alles wieder gut wird – natürlich nur bis zum nächsten Film.

Im 37. Film der Serie (US-Produktionen mitgezählt) wird das besonders deutlich demonstriert, als das Monster erstmals in Tokio einmarschiert. Eine großartige, allertiefste Verbeugung vor dem entsprechenden Abschnitt aus Ishirō Hondas 1954 veröffentlichten Film, mit dem alles anfing. Godzilla wird hier fast schon wie ein Rockstar inszeniert, nur dass die Ankunft hier nicht von der Entourage des Stars eingeleitet wird, sondern mit ungebremster Wucht durch die Luft segelnden Autos und Zugwagons und Menschen nicht hin- sondern wegrennen. Und nach einer Kameraeinstellung auf das ungläubig staunende Gesicht von Protagonistin Noriko erscheint der Star dann in seiner ganzen Pracht, untermalt von Akira Ifukubes legendärem Godzilla-Titelthema, und legt nach einem Begrüßungsschrei mit ungebremster Freude am Handwerk so richtig schön los. Eine Sequenz, die einzig und allein mit dem Ziel designt ist, in den Kinos dieser Welt für Fußballstadion-Atmosphäre zu sorgen, lediglich mit dem Unterschied, dass das komplette Stadion genau einem Spieler zujubelt.

Doch in „Godzilla Minus Zero“ überzeugen nicht nur die Auftritte der Hauptattraktion. Für das Drumherum hat sich Allrounder Takashi Yamazaki, der sowohl für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, als auch für die Effekte mitverantwortlich ist, ebenso was einfallen lassen und kleinere Änderungen am Kurs vorgenommen. So handelt es sich um den ersten Godzilla-Film in einem historischen Setting, die Handlung spielt nämlich in den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs und in der Zeit danach. Erzählt wird vom Kamikaze-Piloten Shikishima, der nicht nur desertiert, sondern den Tod einer kleinen Militäreinheit durch ein baumgroßes, dinosaurierartiges Wesen verschuldet und ein schweres Trauma davonträgt, das auch nicht die Diebin Noriko mildert, die eines Tages bei ihm einzieht und mit der er sich um ein fremdes Baby kümmert. Einige Zeit später taucht eine durch Atombombentests mutierte weitaus größere Godzilla-Version in Tokio auf, die unzerstörbar zu sein scheint. Doch Ingenieur Kenji Noda hat einen Plan – bei dem Shikishima eine entscheidende Rolle spielt …

Trotz des Settings und einem gewissen Hang zum Pathos wird „Godzilla Minus One“ nie zum Nachkriegsdrama: Yamazaki stimmt hier vielmehr ein innerhalb der Serie so noch nie vernommenes Loblied auf die einfache Bevölkerung an, die einer gigantischen Gefahr die Stirn bietet. Hier geht’s um Zivilisten, gewöhnliche Menschen, Fußvolk, das bereits im Krieg von den Obrigkeiten in Stich gelassen wurde und jetzt wohl oder übel noch mal ran muss, da keiner von „oben“, weder in Japan noch in Amerika, da ist, der Unterstützung leistet. Aber man steht zusammen und zieht’s durch. Dabei wird recht geschickt die Balance gehalten: Trotz des an sich düsteren Szenarios und manch (gelegentlich etwas zu) dramatischer Szene, vergisst das Epos doch nie, was es eigentlich ist, liefert zwar wohldosiert, aber immer zu Zweihunderprozent ab und verzichtet auch nicht auf eine gute Prise Humor.

„Godzilla Minus One“ wurde in Japan am 3. November veröffentlicht. Pünktlich zum 68. Geburtstag. Nach diesem Film lässt sich definitiv attestieren, dass es wohl noch eine Weile dauern wird, bis der König der Monster seine Seniorenresidenz bezieht.

Godzilla Minus One läuft ab dem 01.12.2023 im Kino.

Godzilla Minus One“ (Japan 2023) • Regie: Takashi Yamazaki • Darsteller: Ryūnosuke Kamiki, Minami Hanabe, Yûki Yamada, Hidetaka Yoshioka, Sakura Andō

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.