21. Februar 2024

„Der Abgrund“ – Die Natur als Endgegner

Ein schnörkelloser schwedischer Katastrophenfilm mit Familienzusammenführung

Lesezeit: 3 min.

Schon als Katastrophenfilme in den 70er Jahren einen Boom erlebten, standen Drehbuchautoren vor einem gravierenden Problem: Zwar gab es Bedrohungen durch Feuer, Wasser oder andere Elemente, aber einen menschlichen Antagonisten in aller Regel nicht. Vielleicht konnte man den Bauherren des Hochhauses als Schuldigen der Katastrophe sehen, die zum „Flammenden Inferno“ führte, aber das würde eher im Nachhinein, in einem wenig filmisches Prozess geschehen. So entwickelte sich die Spannung in aller Regel aus den Schauwerten und der Frage, welche der zu Beginn kursorisch eingeführten Figuren denn das Desaster überleben würden.

Im Grundsatz funktioniert das Katastrophenkino auch heute noch nach einem ähnlichen Muster, mit einem interessanten Dreh: Oft ist es die ganze Menschheit, die für eine Katastrophe verantwortlich ist, durch den Raubbau an der Natur, Umweltzerstörung, Hubris. So ist es auch im nun bei Netflix startenden schwedische Katastrophenfilm „Der Abgrund“, der sich darauf beschränkt, bekannte Muster des Genres zu variieren.

Schauplatz ist Kiruna, ganz im Norden des Landes gelegen, wo die Kiirunavaara Mine liegt, das größte Eisenerzbergwerk der Welt. Im Laufe der Jahre wurde die Mine immer mehr erweitert, mit schöner Regelmäßigkeit fielen ihr Häuser oder auch schon mal eine Kirche zum Opfer. Auch in Deutschland kennt man das, zuletzt wurde im Hambacher Forst heftig gegen eine Erweiterung des Braunkohletagebaus protestiert, aber am Ende sieht in aller Regel der Kommerz.

Vor diesem Hintergrund beginnt „Der Abgrund“ in klassischer Manier, mit der Etablierung einer modernen Patchwork-Familiensituation. Da ist Frigga (Tuva Novotny), die Sicherheitsexpertin der Mine, dazu ihr neuer Lover, der Feuerwehrmann Dabir (Kardo Razzazi), der aus einer Nachbarstadt nach Kiruna ziehen will. Wenig begeistert von diesem Plan ist Friggas Ex-Mann Tage (Peter Franzen), mit dem sie noch verheiratet ist. Dazu kommen die beiden Kinder Mika (Felicia Maxime) und Simon (Edvin Ryding), die ein wenig zwischen den Stühlen sitzen.

Noch während die Figurenkonstellation etabliert wird, beginnen Sinklöcher die Bevölkerungszahl zu reduzieren, mal sind es feiernde Jugendliche, die in den Abgrund gezogen werden, mal (fast) ein kleiner Junge im Sandkasten. Was unter Tage los ist, wirkt nicht ermutigend, wie Frigga schnell feststellt, doch ehe sie für die Evakuierung der gesamten Stadt sorgen kann, steckt sie selbst im Untergrund fest, ausgerechnet zusammen mit dem Ex. Oben wiederum kümmert sich Dabir um Mika, während Simon verschollen scheint.

Und so nimmt die Katastrophe ihren Lauf, die Richard Holm schnörkellos, aber auch ohne größere Originalität inszeniert. Das Fehlen eines Antagonisten macht sich immer mal wieder bemerkbar, zumal die menschliche Gier nach einer immer weiteren Ausbeutung der Mine nicht wirklich zur Debatte steht. Die Mine ist eben da, ist wichtigster Arbeitgeber der Region, da muss man Katastrophen eben schon mal in Kauf nehmen. Immerhin etwas Gutes hat diese am Ende schließlich doch: Wie man es schon oft erlebt hat, schweißt gerade der Kampf um das eigene Überleben und das der Liebsten, die Familienmitglieder zusammen und lässt Animositäten gleich viel weniger relevant erscheinen. Dass es sich am Ende als spannendste Frage erweist, ob Frigga mit altem oder neuem Mann die Katastrophe überlebt, deutet an, dass man es bei „Der Abgrund“ mit einem Film von eher bescheidenen Ambitionen zu tun hat, der dem Genre nichts neues hinzufügt, es aber leidlich unterhaltsam variiert.

Der Abgrund • AvgrundenSchweden 2023 • Regie: Richard Holm • Darsteller: Tuva Novotny, Felicia Maxime Truedsson, Kardo Razzazi • jetzt bei Netflix

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