31. August 2014 1 Likes

Wer ist da?

Der kalte Krieg im kalten Eis: „Station 16“ von Hermann & Sohn

Lesezeit: 3 min.

Praktisch jede der großen Comic-Serien des 1938 geborenen Belgiers Hermann (Huppen) weist ein bis zwei Meisterwerke auf, und das obwohl die Helden aus grundverschiedenen Genren kamen. Da waren Abenteurer und Weltenbummler (Andy Morgan: Der Hafen der Verrückten; 1977), Westernhelden (Comanche: Das Geheimnis von Algernon Brown; 1982), Überlebende der Apokalypse (Jeremiah: Explosive Beute; 1985) und Ritter ohne Land (Die Türme von Bos-Maury: Williams Irrweg; 1990). Seit einigen Jahren arbeitet Hermann auch gern mit seinem Sohn Yves H. als Szenarist, und mindestens ein Band ihrer USA-Trilogie (Manhattan Beach 1957; 2002) reiht sich nahtlos in diese Galerie von Klassikern ein.

Nun haben die beiden mit „Station 16“ einen Einzelband vorgelegt, der pure Science-Fiction ist. Aber es geht nicht um schrille Weltraumhelden und noch schrillere Aliens, sondern – um russische Soldaten, die auf Nowaja Semlja Dienst schieben, einer Insel im Nordpolarmeer, die das sowjetische Pendat zum Bikini-Atoll ist. Mit anderen Worten: Hier führte die UdSSR zwischen 1955 und 1990 Atombombentests durch. Hier wurde auch die Zar-Bombe gezündet, die größte je explodierte Kernwaffe.

Diese Tests wurden lange eingestellt und auch die Sowjetunion gibt es nicht mehr. Die Soldaten in „Station 16“ vertreiben sich die Langeweile mit Eisbären ärgern und Saufen, denn viel zu tun gibt es nicht. Bis ein seltsamer Funkspruch von einer Wetterstation eintrifft, die eigentlich seit einem halben Jahrhundert verlassen ist. Also steigt man in den Hubschrauber, um sich die Sache anzusehen.

Wer jetzt „Who Goes There?” bzw. „Das Ding aus einer anderen Welt“ denkt, irrt sich zwar, aber nicht gewaltig. Denn die Soldaten finden zwar kein abgestürztes Ufo mit einer fiesen außerirdischen Kreatur, sondern nur eine „Wetterstation“, die seit einem halben Jahrhundert verlassen ist – die aber ständig in der Zeit fluktuiert. Und so treffen die Männer mal auf Forscher, die keineswegs am Wetter interessiert sind. Auf Versuchspersonen, an denen kein Grippemittel ausprobiert wird. Und manchmal – ah – das wäre zu viel verraten.

Die beiden Huppens machen das ganz vorzüglich. Die Story ist einerseits fest in den Fünfzigern verankert, weil sie Topoi der Zeit (Angst vor der Bombe! Paranoia! Russen!) aufgreift, aber gleichzeitig spielerisch (sprich: mit eher pulpigen Mitteln) klar macht, das die Folgen jener Zeit bis heute nachwirken. Man ahnt das „Twist“-Ende einer typischen Genre-Kurzgeschichte kommen – und es kommt mit schicksalhafter Unvermeidlichkeit. Ein böser Twist, klar, aber wie sollte es auch sonst sein bei einer so grausigen, irrsinnigen, wunderbar komponierten Story?

Grafisch ist das selbst für Hermanns Verhältnisse ziemlich wuchtig. Einerseits in seiner Aufgeräumtheit ganz klar „alt“, meinetwegen auch „Old School“. Andererseits passt dieses Artwork mit seinen schmutzigen Farben, den mal beengten, klaustrophobischen Räumen, mal riesigen freien Flächen, bemerkenswert zum düsteren Sujet. „Station 16“ reicht vielleicht nicht an das andere arktische Meisterwerk Hermanns heran – dem oben erwähnten „Hafen der Verrückten“ –, aber allzu weit entfernt davon ist es auch nicht. Jedenfalls sollte man den Band nicht allein vor dem Schlafengehen lesen, wenn es draußen kalt ist und der Wind heulend durch die Straßen zieht. Es könnte eine schlechte Nacht werden…

Herman & Yves H.: Station 16 • Kult Editionen, Wuppertal 2014 • 56 Seiten • € 14,95

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.