24. Dezember 2019 4 Likes

Kosmisches Karma

„Aniara“ erscheint im Februar 2020 auf Deutsch

Lesezeit: 2 min.

Es hat ein bisschen gedauert, aber nun erscheint der schwedische SF-Film „Aniara“, der bisher nur auf Festvials zu sehen war, auch hier in für alle zugänglicher Form. Am 13. Februar 2020 veröffentlicht EuroVideo den Film auf DVD und Blu-ray (und ich nehme mal an auch in VOD-Form).

„Aniara“ entstand nach dem umfangreichen Versepos „Aniara. Eine Revue vom Menschen in Zeit und Raum“, das der Schwede Harry Martinson 1956 veröffentlichte und dem er wohl maßgeblich seine Auszeichnung mit dem Nobelpreis für Literatur zu verdanken hat. (Die deutsche Fassung ist leider vergriffen, die Englische kann man hier lesen.) Aber keine Angst, das Regieduo Pella Kågerman und Hugo Lilja hat daraus kein Geschwurbel gemacht. „Aniara“ erzählt sehr klar vom Exodus der Menschen, nachdem sie ihre Heimatwelt zerstört haben. Wir begleiten Mimaroben (Emelie Jonsson) mit an Bord eines Auswandererschiffes Richtung Mars, doch schon kurz nach dem Start geht etwas schief und das Schiff steuert antriebslos durchs All, Ziel: Nirgendwo.


Irgendwann muss man die Wiege ja verlassen …


… und Mimaroben (Emelie Jonsson) verschläft fast den Flug.

Mimaroben betreut die MIMA an Bord, eine Art Künstliche Intelligenz, die den Menschen, die ihren Raum betreten, eine heile Erde vorgaukeln kann. Das Schiff allerdings gleicht eher einem Kreuzfahrtschiff, das vor allem auf Konsum ausgerichtet ist; ihre schlechten Angewohnheiten nehmen die Menschen einfach mit zum Mars. Zunächst täuscht der Kapitän des Schiffs den Passagieren noch die Aussicht auf Rettung vor, aber irgendwann lässt sich das Lügengebäude nicht mehr aufrechterhalten.

„Aniara“ ist sehr ungewöhnlich erzählt und da nehmen Kågerman und Lilja die „Gesänge“-Struktur des Gedichts wieder auf. Der Beginn ist dicht erzählt, der Start des Schiffes, die ersten Tage an Bord. Wir erleben Mimaroben bei der Arbeit, bei Liebesnöten, wir erleben die Menschen, die all den Kommerz und Irrsinn mit ins All nehmen, der ihnen doch gerade erst zum Verhängnis geworden ist, obwohl viele von ihnen schwer geschädigt sind von den Umweltkatastrophen auf der Erde.

Dann kommt die Havarie und ihre Verarbeitung. Die mit Überschriften versehenen erzählerischen Abschnitte werden kürzer, die zeitlichen Abstände zwischen ihnen jedoch immer länger. Mit ihnen zerfällt der gesellschaftliche Zusammenhang und damit auch der Film, der zunehmend episodischer wird und immer weniger „Erklärungen“ liefert. Das ist definitiv Absicht und erzielt einen bemerkenswerten Effekt, der aber bei einigen Zuschauern wohl auch Frust hinterlassen wird, weil Erzählkino natürlich anders geht.

Das Ende ist dann so poetisch wie ernüchternd. Kosmisches Karma, könnte man das nennen. Und es ist ein ziemlich einsamer Höhepunkt des SF-Kinos des Jahres 2019.

Jetzt hoffen wir nur noch, das EuroVideo die herausragende britische Edition des Films von Arrow übernimmt, dann finge 2020 doch wirklich schön an.

Aniara • Schweden 2018 • Regie: Pella Kågerman, Hugo Lilja • Darsteller: Emelie Jonsson, Bianca Cruzeiro, Arvin Kananian, Anneli Martini, Jennie Silfverhjelm

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