14. November 2014 1 Likes

Asimovs Weltausstellung 2014

Wie sich der Schriftsteller 1964 die Zukunft vorstellte

Lesezeit: 4 min.

1964 besuchte Isaac Asimov die Weltausstellung in New York. Doch so sehr er den Besuch auch genoss, so sehr irritierte es ihn, wie wenig zukunftsorientiert die Ausstellung war. In einem Essay für die New York Times stellte er sich deswegen die Weltausstellung fünfzig Jahre in der Zukunft, also im Jahre 2014, vor. Sicher, SF-Autoren sind keine Propheten, die sich um akkurate Vorhersagen bemühen (sollten). Und doch lässt sich gerade in Asimovs Fall nicht abstreiten, dass seine Ideen seine Zukunft – unsere Gegenwart – entscheidend geprägt haben.

2014 leben wir laut Asimov in unterirdischen – manche gar in unterseeischen - Häusern. Die Decken geben indirektes Licht ab, die Wände sind gigantische Monitore, die die Fenster ersetzen. Nun, für jemanden, dessen Kindheitstraum es war, aus einem Kiosk heraus Zeitschriften zu verkaufen – kleiner Raum, keine Fenster und jede Menge Lesestoff – mag das ja eine erstrebenswerte Vorstellung sein. Außerdem sagte er die damals ziemlich angesagten beweglichen Gehsteige (was eigentlich aus denen geworden ist, kann man in Gary Westfals Essay „Fallstricke des Prophezeiens“ im SF-Jahr 2013 (im Shop) nachlesen) sowie Kolonien auf Mond und Mars voraus, die wir (leider) ebenso wenig verwirklicht haben wie die fliegenden Autos.

Wer Asimov sagt, muss auch Roboter sagen. Für das Jahr 2014 hat Asimov prognostiziert, dass es zwar Robots gibt, diese seien allerdings noch eher plumpe Gestalten, die bestenfalls einfache Haushaltstätigkeiten erledigen könnten. Denkt man an Staubsaugerroboter und fahrerlose U-Bahnen in Nürnberg, klingt das doch recht plausibel:

Much effort will be put into the designing of vehicles with „Robot-brains“ vehicles that can be set for particular destinations and that will then proceed there without interference by the slow reflexes of a human driver.

Erstaunlich akkurat wird es, wenn man Asimovs Vorhersagen über die Gadgets unserer Gegenwart liest:

The appliances of 2014 will have no electric cords, of course, for they will be powered by long- lived batteries running on radioisotopes. […]As for television, wall screens will have replaced the ordinary set; but transparent cubes will be making their appearance in which three-dimensional viewing will be possible. In fact, one popular exhibit at the 2014 World’s Fair will be such a 3-D TV, built life-size, in which ballet performances will be seen.

Es ist höchst fraglich, ob auf einem 3D-Fernseher, der auf einer Messe präsentiert wird, jemals ein Ballett laufen wird, aber immerhin.

Aber nicht alles wird im Jahr 2014 so rosig aussehen wie unsere technologischen Fortschritte: Das rapide Bevölkerungswachstum (das Asimov auf 6.500.000.000 vorhersagte – wir sind aktuell bei 7238 Millionen) bewirkt zum einen ein Umdenken in Sachen Ernährung, zum anderen geht die Schere zwischen Arm und Reich weiter auf:

Ordinary agriculture will keep up with great difficulty and there will be „farms“ turning to the more efficient micro-organisms. Processed yeast and algae products will be available in a variety of flavors. The 2014 fair will feature an Algae Bar at which „mock-turkey“ and „pseudosteak“ will be served. It won’t be bad at all (if you can dig up those premium prices), but there will be considerable psychological resistance to such an innovation.

Although technology will still keep up with population through 2014, it will be only through a supreme effort and with but partial success. Not all the world’s population will enjoy the gadgety world of the future to the full. A larger portion than today will be deprived and although they may be better off, materially, than today, they will be further behind when compared with the advanced portions of the world. They will have moved backward, relatively.

Was Asimov allerdings als seine „most somber speculation“ über das Jahr 2014 bezeichnete, trat bisher ebenfalls noch nicht ein: Die gewissermaßen erzwungene Langeweile durch übermäßiges Delegieren von Arbeit an Maschinen:

The situation will have been made the more serious by the advances of automation. The world of A.D. 2014 will have few routine jobs that cannot be done better by some machine than by any human being. Mankind will therefore have become largely a race of machine tenders.

Wer denkt da nicht an die Menschenmengen, die einem täglich auf der Straße begegnen und die die Augen kaum noch vom Smartphone in der Hand losreißen können?

Even so, mankind will suffer badly from the disease of boredom, a disease spreading more widely each year and growing in intensity. This will have serious mental, emotional and sociological consequences, and I dare say that psychiatry will be far and away the most important medical specialty in 2014. The lucky few who can be involved in creative work of any sort will be the true elite of mankind, for they alone will do more than serve a machine.

Wie Asimov über Kreativität dachte, wird in seinem erst kürzlich entdeckten Essay zu diesem Thema mehr als deutlich.

Den kompletten Artikel Isaac Asimovs für die New York Times von 1964 gibt es im Netz.

 

Am 27.11.2014 erscheint Isaac Asimovs Foundation/Roboter-Zyklus als E-Book im Wilhelm Heyne Verlag (im Shop). 

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