12. Februar 2018 2

Der wichtigste Diamant der Welt

Ein Edelsteinfund beweist die Genialität von Jules Verne

Lesezeit: 3 min.

Erinnern Sie sich noch, was die Helden des frühen Science-Fiction-Romans „Die Reise zum Mittelpunkt der Erde“ im Inneren unseres Planeten entdeckten? Nein, ich meine nicht die Riesenpilze oder die Dinosaurier. Sondern etwas viel Erstaunlicheres: Wasser.

War dem Autor Jules Verne (1828–1905) nicht bewusst, dass es dort gar kein Wasser geben kann? Denn unterhalb der Meere befindet sich die relativ feste, silikathaltige Erdkruste, darunter der eisen- und magnesiumlastige Erdmantel, welcher wiederum den äußeren und inneren Erdkern umhüllt (hauptsächlich aus Eisen und Nickel bestehend). Zwar wissen wir seit Alfred Wegener (1880-1930), dass die Kontinente auf einer zähflüssigen Schicht aus Magma dahin treiben, aber darunter wird es mit zunehmender Tiefe immer dichter und heißer – und sicher nicht wässriger. Vorkommen von Wasser beschränken sich ausschließlich auf die Erdkruste und die Atmosphäre.

Oder?

Nahe der brasilianischen Stadt Juina wurde vor zwei Jahren ein höchst ungewöhnlicher Edelstein entdeckt. Es handelt sich um einen lediglich drei Millimeter großen Diamanten, der zwar für einen Edelsteinhändler ziemlich uninteressant ist, aber Wissenschaftler ganz aus dem Häuschen bringt. Denn er stammt aus etwa sechshundert Kilometern Tiefe. Das weiß

man, weil der Diamant über ganz besondere Einschlüsse verfügt: In seinem Inneren ließ sich erstmals das Mineral Ringwoodit nachweisen. Dieses entsteht durch hohen Druck in der Übergangszone zwischen 410 und 660 Kilometern unter der Erdkruste und war bisher in seiner natürlichen Form nur aus Meteoriten bekannt. Die tiefste von Menschen jemals vollbrachte Bohrung, die Kola-Bohrung, beträgt „nur“ 12.262 Meter, also noch weit weg von den Zonen, in denen dieser Diamant entstanden sein muss.

Nun verfügte Jules Verne zwar ziemlich sicher über keinen Superbohrer, aber ausreichend Imaginationskraft, um von unterirdischen Riesenkavernen zu träumen, an deren Gestaden Meereswellen lecken. Aber selbst wenn die Hohlräume durch den hohen Druck wohl nicht lange überdauern würden, könnte es dort unten dennoch Wasser geben?

Mit Hilfe eines Infrarotspektroskops stellten Forscher der University of Alberta fest, dass das im Diamant entdeckte Ringwoodit tatsächlich einen Wassergehalt von circa 1,4 Volumenprozent aufweist

Klingt nach nicht viel?

Nun, geologische Untersuchungen deuten schon seit langem darauf hin, dass Ringwoodit das wichtigste Mineral der Übergangszone sein dürfte. Es ist derart häufig, dass sich aus der winzigen Wassermenge im Juina-Diamanten auf ein dort unten lagerndes, gigantisches Wasservorkommen schließen lässt: In hunderten Kilometern Tiefe dürfte ähnlich viel Wasser vorhanden sein wie in allen Weltmeeren zusammen!

Ließe sich dieses Reservoir irgendwie anzapfen, würde es die Wasserversorgung der Menschheit sicherstellen, bis die Sonne in ferner Zukunft implodiert. Wie man so tief nach unten gelangen kann, vermag derzeit allerdings nur die Science-Fiction zu beantworten.

Erstaunlich ist ohnehin, dass sich das Ringwoodit-Mineral überhaupt in dem Juina-Diamanten erhalten hat, denn es hätte sich beim Transport zur Erdoberfläche durch den abnehmenden Druck eigentlich in sein Ausgangsmineral Olivin zurückwandeln müssen. Glücklicherweise verlief der Transport also offenbar sehr schnell – wohl im Rahmen eines heftigen Vulkanausbruchs.

Und gelangten nicht auch die Science-Fiction-Romanhelden mit aufschießendem Magma wieder zurück zur Erdoberfläche? Chapeau, Monsieur Verne!
 

Uwe Neuhold ist Autor, bildender Künstler, Medien– und Museumsgestalter mit Schwerpunkt auf naturwissenschaftlichen Themen. Alle Kolumnen von Uwe Neuhold finden Sie hier.

Kommentare

Bild des Benutzers Hans Schilling

Ich denke mir Verne wusste einfach mehr oder kombinierte besser. Ich denke hier z.B. an die Ruhmkorff-Lampen welche eine Verbindung aus drei Erfindungen nötig machten um als Leuchtmittel funktionieren zu können. 1. Die Ruhmkorff'sche Induktionsspule 2. Michael Faraday's Gasentladungslampe und 3. die Geissler-Röhre. Erst 1887, aus Anlaß des diamanten Jubiläums Königin Viktorias fand eine Demonstration dieser Kombination statt. Eingedenk der Tatsache, dass "Die Reise zum Mittelpunkt der Erde" 1864 erschien doch bemerkenswert.

Bild des Benutzers Hans Schilling

oder aber Verne hat die Bibel mit in seine Überlegungen einbezogen: „(…) an diesem Tag brachen alle Quellen der großen Tiefe auf, (...) (Gen. 7,11)

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