8. März 2018

Zwischen Manga und Moebius

Im Gespräch mit Frauke Berger, Autorin und Zeichnerin des SF-Comics „Grün“

Lesezeit: 4 min.

Im Comic-Programm des Bielefelder Splitter-Verlages dominieren seit Jahren ausländische Lizenz-Titel. Umso deutlicher sticht das frisch erschienene „Grün“ hervor, bei dem es sich um das Debüt der deutschen Künstlerin Frauke Berger handelt: Eine abenteuerliche Science-Fiction-Geschichte und galaktische Öko-Parabel über einen ausgebeuteten, ausgehungerten grünen Planeten, auf dem Nomaden wie Protagonistin Lis, Sklavenhändler, Hybriden, Wandler, Harpyien und andere Wesen leben und alle von einer mysteriösen Seuche bedroht werden. Berger wurde 1991 in Gengenbach geboren und machte ihren Abschluss in Design mit Schwerpunkt Illustration an der Fachhochschule Münster. Bereits in ihrer Bachelor-Arbeit ging es um Automaten und Robotik, außerdem arbeitet Berger als wissenschaftliche Illustratiorin. Im Interview spricht sie über ihre Einflüsse, die Arbeit an ihrem Comic-Einstand auf der großen Bühne sowie die Zielgruppe der Bildergeschichte zwischen Manga und Moebius, die in zwei großen Hardcover-Alben erscheint.

 

Hallo Frauke. Seit wann ist die Science-Fiction Teil deines Lebens?

Wahrscheinlich seit ich mit Dreizehn auf „Neon Genesis Evangelion“ gestoßen bin. Ich habe aus irgendeinem Grund mit den letzten zwei Filmen angefangen und war schwer beeindruckt.

Moebius, Manga und Anime: Man erkennt die Einflüsse in „Grün“. Welcher war der bedeutendste?

Mit Sicherheit „Neon Genesis Evangelion“ und „Ghost in the Shell“. Abseits von Sci-Fi bin ich ein großer Fan von Chris Riddell und der Welt aus den „Klippenland-Chroniken“! Ich schätze gutes Worldbuilding sehr. Auf Moebius bin ich erst im Studium gestoßen – ansonsten bin ich durch Manga zum Zeichnen gekommen.

Was hast du aus deiner Arbeit als wissenschaftliche Illustratorin für deinen SF-Comic mitgenommen?

Es ist nichts neues, Inspiration für Monster oder Aliens aus unserer Tierwelt zu ziehen – besonders Insekten bieten eine Vielfalt an exotischen Form- und Farbvarianten. Bei der Recherche stößt man fast automatisch auf interessante Kuriositäten.

Der Planet, auf dem „Grün“ spielt, ist ebenfalls eine interessante Kulisse. Wie sehr achtest du darauf, bewusst ausgetretene Pfade bei Optik, Setting und Handlung zu verlassen?

Pflanzenmenschen oder Harpyen sind keine völlig neuen Schöpfungen, aber ich versuche immer, einen kleine Twist einzubauen. Die einzelnen Reisestationen sind eine Mischung aus verschiedenen Genre-Versatzstücken: Die Rohrwälder und ‚Archen’ ein bisschen Cyberpunk, die Ringwüste ein klein wenig Zombie-Apokalypse, in den schwarzen Sümpfen wird es etwas gruseliger…

„Grün“ ist ein Stück weit eine Öko-Parabel. Ist dir prinzipiell die Story wichtiger, oder die Botschaft, die beim Leser ankommt?

Definitiv die Story. Jeder meiner Charaktere folgt in erster Linie seiner eigenen Agenda und wird eher von persönlichen Interessen getrieben. Der Comic war von Anfang an als Fantasie-Geschichte geplant.

Apropos Planung. Wie sieht deine Arbeitsweise aus?

Die Arbeit am ersten Band war sehr chaotisch, da sich das ganze Stück für Stück aus Studiumsprojekten herausgebildet hat. Zwischendurch war es sogar auf drei Bände angelegt – zwei sind schon viel für ein Debüt-Projekt. Es gab schon klassisch ein Storyboard, Farbskizzen für die einzelnen Reisestationen und Characterdesigns, aber es wurde alles sehr oft auf dem letzten Drücker durcheinander geworfen und überarbeitet.

Jetzt ist das Album nicht unbedingt das typische Format für deutsche Comic-Eigenproduktionen – hattest du es von Anfang an auf die Größe und letztlich auf Splitter als Verlag abgesehen?

Eigentlich war „Grün“ mal eine Reihe von lose zusammenhängender Kurzgeschichten. Es sollte nie länger als 70 Seiten lang werden, ist dann aber über die Zeit gewachsen. Vom Splitter-Verlag habe ich zufällig in einem Review-Format gehört. Mit westlichen Comics habe ich lange Zeit entweder Superhelden oder „Asterix“ verbunden, da war das Programm des Splitter-Verlages für mich eine wahre Fundgrube. So wirklich viel Auswahl bei deutschen Verlagen mit Genre-Kost hat man tatsächlich aber auch nicht, wenn man sich mit seiner Mappe auf Messen umsieht.

Denkst du, der traditionelle deutschsprachige Albenleser ist bereit, sich auf die unübersehbaren Einflüsse aus Manga und Co. einzulassen? Es gibt da ja doch viele Hardliner, was die Linien angeht, während wiederum Manga-Leser eher selten zum Album greifen … 

Ich fände es ganz wunderbar, wenn da die Grenzen mehr verschwimmen würden: zwischen Manga- und klassischen Comic-Lesern gibt es immer noch eine Kluft. Ich finde, das Image von Manga/Comic hat sich bei der jeweils anderen Zielgruppe aber mittlerweile gebessert, auch wenn manche Comic-Messen weiterhin größtenteils von einem älteren männlichen Publikum besucht werden und manche Manga-Messen überwiegend in jüngerer weiblicher Hand sind.

Versuchst du dich beim Arbeiten von Gedanken an die Zielgruppe oder Testleser frei zu machen?

Ich habe eine sehr kritische Freundin, die das Projekt auf Herz und Nieren geprüft und eine Zeit lang mit bearbeitet hat. Während des Studiums wurde es natürlich vor allem von meinem Professor korrigiert. Letzten Endes ist es aber schon ein bisschen ein persönliches Herzensprojekt mit einer Genre-Mischung, die ich selbst gerne lese.

„Grün“ ist als Zweiteiler konzipiert, aber vermutlich gibt es über den Planeten und seine Bewohner noch so einige Geschichten zu erzählen. Oder würdest du nach dem zweiten Band lieber etwas Neues kreieren?

Da der Plot von „Grün“ sich letztendlich aus Versatzstücken mehrerer kleiner Geschichten gebildet hat, habe ich theoretisch noch genug Material: Zu Luns Vergangenheit gibt es bereits einen kleinen Comic, sowie zu einer kleinen Gruselgeschichte, die in den schwarzen Sümpfen des Planeten spielt. Da vieles nicht mehr in die Bände reingepasst hat oder nur angeschnitten wird, hätte ich schon Lust, mehr über den Planeten zu zeichnen.

Abbildungen: © Frauke Berger/Splitter Verlag 2018

Frauke Berger: Grün Buch 1 • Splitter, Bielefeld 2018 • 56 Seiten • Hardcover: 15,80 Euro

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