14. April 2018 2 Likes

„Die Apokalypse kann überall toll aussehen“

Im Gespräch mit Olivia Vieweg, Autorin und Zeichnerin des verfilmten Zombie-Comics „Endzeit“

Lesezeit: 5 min.

Olivia Vieweg studierte an der Bauhaus-Universität in Weimar und machte dort 2011 mit dem Comic „Endzeit“ ihr Diplom im Bereich Visuelle Kommunikation. Die bunte, aber brutale Bildergeschichte über zwei junge, äußerst unterschiedliche Protagonistinnen, die durch ein von der Zombie-Apokalypse verwildertes Thüringen reisen, erschien 2012 zunächst im Kleinverlag Schwarzer Turm. Da 2019 die Verfilmung von „Endzeit“ in die deutschen Kinos kommt, hat Vieweg zwischenzeitlich eine wesentlich längere Neufassung ihres Comics mit vielen frischen Szenen inszeniert und komplett neu gezeichnet, die im März bei Carlsen herauskam. Zuvor veröffentlichte die 1987 in Jena geborene, mit dem ICOM Comic Independent Preis und dem Prix Jeune Albert ausgezeichnete Künstlerin u. a. die Comic-Romane „Huck Finn – Die Graphic Novel“ und „Antoinette kehrt zurück“. Dazu kommen die „Warum Katzen besser sind…“-Geschenkbücher samt Fanartikeln, zahlreiche von ihr bebilderte Kinderbücher sowie Illustrationen zum Sachbuch „Die Philosophie in Star Trek“, das ihr Vater, der renommierte Hegel-Forscher Klaus Vieweg, geschrieben hat. Im Interview spricht Olivia Vieweg über die fast 300 Seiten starke Neufassung von „Endzeit“ und natürlich über die Verfilmung ihrer postapokalyptischen Geschichte.

Hallo Olivia. Was finden wir an der Postapokalypse so reizvoll? Sie boomt zwischen „The Walking Dead“ (im Shop) und Co. ja seit Jahren multimedial …

Dazu hab ich tatsächlich viel nachgedacht. Als Fan der klassischen „Star Trek“-Serie (im Shop) bin ich ja Anhänger eines gewissen Zukunftsoptimismus. Aber nur, weil am Ende vielleicht alles gut wird, bedeutet das ja nicht, dass es zwischendrin nicht ganz furchtbar sein kann. Reizvoll ist der Untergang immer, man schaut mit Herzklopfen hinunter in die Hölle. Der Himmel ist irgendwie langweilig. Eine weitere These wäre, dass wir in sicheren Zeiten mehr Angst vor dem Zusammenbruch haben. Wir liegen in unseren weichen Betten und fürchten uns, dass es auch anders sein kann. Ich hoffe aber, dass bei „Endzeit“ klar wird, dass es nicht nur um eine traurige Zukunftsvision geht.

Wird es. Man merkt „Endzeit“ auch an, dass du nicht nur mit dem deutschen Setting versuchst, viele Klischees zu brechen. Ist das im postapokalyptischen Genre besonders schwierig?

Ich muss gestehen, dass ich da überhaupt nicht drüber nachgedacht habe. Sobald die Geschichte in meinem Kopf war, gab es keinen Zweifel, dass das alles richtig so ist. Die Apokalypse kann überall toll aussehen, und ich wähle gerne ein deutsches Setting, weil ich mich damit einfach am besten auskenne.

Auch visuell ist dein Stil nicht unbedingt Zombie-Standard. Hattest du auch mal Zweifel, dass das über die Diplomarbeit hinaus angenommen wird?

Ja, kein Verlag wollte meine Diplomarbeit (damals knapp 80 Seiten lang) drucken. Die einen mochten den Stil nicht, die anderen haben es vielleicht gar nicht ernst genommen. Ich denke, das könnte sich geändert haben.

An der Carlsen-Neuausgabe von „Endzeit“ hast du ein Jahr gearbeitet, sie ist mehr als drei Mal so umfangreich wie die Erstausgabe von 2012 – wie war es, nach all den Jahren und Comics noch mal zu „Endzeit“ zurückzukehren und es neu zu zeichnen und so zu erweitern?

„Endzeit“ hat sich so stark verändert, dass es sich gelohnt hat, die neue Fassung zu zeichnen. Es sind mehr Stationen in der Geschichte dazugekommen, also auch mehr spannende Zombies und mehr Konflikte zwischen den Figuren. Es ist viel „epischer“, und zeichnerisch bin ich ja auch etwas erfahrener als damals. Die emotionalen Szenen zu zeichnen hat einfach verdammt Spaß gemacht, neben dem ganzen Horror, den man als einsamer Zeichner an so einem langen Comic natürlich auch erlebt, wenn man sich immer wieder neu motivieren muss weiterzumachen.

Seit dem ersten Erscheinen von „Endzeit“ hat deine Familie Zuwachs bekommen. Hat das deine Arbeitszeit, Arbeitsweise oder deine Sicht von guten Geschichten und guten Comics verändert?

Meine Arbeitszeit ist definitiv weniger geworden, ich muss manchmal ganz schön kämpfen, damit ich alles schaffe und noch genügend Freiraum habe. Das ist für den kreativen Prozess eine echte Herausforderung, weil ich finde, dass immer etwas Langeweile dazugehört, um auf neue Ideen zu kommen. Ich versuche effektiver zu arbeiten und besser zu planen. Das konnte ich vorher schon ganz gut aber jetzt ist es überlebenswichtig… Meine Sicht auf Geschichten haben die Kinder aber nicht verändert, ich mag die gleichen Sachen wie vorher. Mit den Kindern kommt man aber wieder mehr dazu, Kinderbücher zu lesen und Zeichentrick-Kram zu schauen, das ist cool! 

Du hast aus deinem Comic vor einigen Jahren ein Filmdrehbuch gemacht. Wie unterschied sich der Schreibprozess von deiner üblichen Vorgehensweise beim Geschichtenerzählen in Text und Bild, wo du sonst alles selbst umsetzt?

Mir ist das Drehbuchschreiben überraschend leicht gefallen. Durch die Comic-Arbeit denke ich sehr visuell, was von Vorteil ist. Ganz anders als beim Comic, arbeitet man im Filmbereich mit wesentlich mehr Leuten zusammen. Und jeder hat seine eigenen Idee, Wünsche und Vorstellungen. Man kann da wahnsinnig viel von profitieren und sich verbessern. Manchmal zieht man aber auch den Kürzeren und muss eine Idee aufgeben, weil sie niemand will. Das war nicht immer leicht für mich, aber ist es sicher für keinen Autor auf der Welt.

2019 kommt „Endzeit“ in die Kinos. Hätte es den Film auch ohne deine Teilnahme an der 26. Drehbuchwerksatt München und deinen Gewinn des Tankred-Dorst-Preis für das Drehbuch zu „Endzeit“ gegeben, oder war das einfach der entscheidende Schritt?

Das war der entscheidende Schritt. Vorher hab ich gar nicht in Erwägung gezogen, überhaupt Drehbücher zu schreiben. Ich dachte, ich könnte das nicht. In München hab ich dann gelernt, dass ich es kann, wir hatten tolle Dozenten, die mir einen Aha-Moment nach dem anderen beschert haben. Das war eine absolut großartige Zeit. 


Olivie Vieweg (mitte) mit den „Endzeit“-Hauptdarstellerinnen Gro Swanthe Kohlhof und Maja Lehrer. Foto © privat

Man kennt das ja von Hollywood-News: Von der ersten Meldung bis zum tatsächlichen Dreh kann viel passieren. Wie hast du diesen Prozess zwischen Hoffen, Bangen und deutschen Filmfördermitteln erlebt?

Es war tatsächlich ein ewiges Bangen! Bis kurz vor Drehbeginn blieben die Zweifel. Wir hatten mit den Förderern schon viel Glück, vor allem weil das ZDF (Kleines Fernsehspiel) sehr früh eingestiegen ist, das ist dann wie ein Aushängeschild. Dann wurde unser Film komplett in Thüringen gedreht, wodurch man bessere Karten bei der Mitteldeutschen Medienförderung hat, die sich ja als Förderer der Region versteht. Aber einen Horrorfilm in Deutschland unterzubringen, ist anscheinend fast so schwierig wie einen Clown auf einer Trauerfeier einzuschleusen. Aber da wird sich sicher in Zukunft etwas ändern!

Kannst du uns ein bisschen was von der Verfilmung und deinen Set-Besuchen erzählen?

Ich war nur zweimal am Set, einmal in der Pampa und einmal bei den Dreharbeiten in Weimar. Als Autor wird man bei solchen Dingen nicht wirklich einbezogen. Aber vor Ort zu sein, war tatsächlich sehr abgefahren und surreal. Da arbeiten verdammt viele Leute daran, deine Geschichte umzusetzen. Und alles ist wahnsinnig teuer, jede Kamera, jeder Drehort, jeder Statist. Das kennt man vom Comic nicht, da brauchst du nur Stift und Papier. Und am Ende vielleicht einen Verlag.

Zun Schluss noch eine ganz wichtige Frage, die sicher jeden interessiert, der damals oder heute „Endzeit“ gelesen hat: Werden wir Giraffen im Film sehen?

Das hoffe ich doch!! 

Abb.:  © Olivia Vieweg/Carlsen

Olivia Vieweg: Endzeit • Carlsen, Hamburg 2018 • 288 Seiten • Paperback: 22,00 Euro

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.