31. Dezember 2022

Unentdeckte Welten - Rumänische Science-Fiction im Überblick

Teil II: Film

Lesezeit: 5 min.

Ein Land, das in Sachen Science-Fiction bisher wohl eher unerforschtes Terrain darstellen dürfte, ist Rumänien. Beim Stichwort Rumänien werden viele mit Sicherheit als erstes an Dracula denken, aber an Raumschiffe? Das Ironische: Horror ist in Rumänien gar nicht mal sonderlich populär, das Land verfügt dafür aber über ein reichhaltige, jahrhundertealte Science-Fiction-Kultur, die allerdings außerhalb der Grenzen weitestgehend unbeachtet geblieben und dank der mittlerweile mangelhaften Verfügbarkeit vieler Arbeiten und weniger oder komplett fehlender Infos zu Künstlern und Künstlerinnen schwierig angemessen nachzuzeichnen ist.

Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, zumindest einen groben Überblick zu geben und vielleicht etwas neugierig auf eine unentdeckte Welt zu machen. Selbst wenn das meiste nie aus dem Rumänischen übersetzt wurde: Was nicht ist, kann immer noch werden. So ist es durchaus bemerkenswert, dass erst in diesem Jahr das psychedelische Weltraum-Abenteuer „Delta Space Mission“ (1984), der erste rumänische abendfüllende Animationsfilm, in den USA eine Auswertung auf Blu-ray erfahren hat. Wer weiß, was noch kommt …

Hier Teil 1.

 

II. Film

Bringt schon die Aufarbeitung des literarischen Bereichs so manche Hürde mit sich, sieht es beim Film noch schlechter aus. Natürlich sind, wie in anderen Ländern auch, viele Filme aus den frühen Tagen des Kinos zerstört worden oder verloren gegangen. Aber man kommt selbst an Filme jüngeren Datums, aus den 1970er- oder 1980er-Jahren zum Beispiel, sogar innerhalb Rumäniens, nur schwer ran. Woran genau das liegt, ist nicht ganz klar. Vermutlich wird das Ceauşescu-Regime eine gewisse Rolle gespielt haben, das sich ab 1973 stark in die Filmproduktion des Landes einmischte. Das konnte schon mal dazu führen, dass die Negative von Filmen, an denen die Regierung Anstoß nahm (ein Beispiel wäre hier das Drama „100 De Lei („100 Lei“) von 1973), vernichtet wurden.

Aus diesem Grund ist eine detaillierte Aufarbeitung des rumänischen Science-Fiction-Films, der bereits 1920 mit dem Animationskurzfilm „Păcală în lună“ („Schelm auf dem Mond“) von Aurel Petrescu seinen Anfang nahm, beziehungsweise des fantastischen Films an sich schier unmöglich, weswegen nun lediglich ein paar lose aneinandergereihte Hinweise folgen – mit der Anmerkung, dass der fantastische Film ab Beginn der 1990er so gut wie ausgestorben ist, da nach der Rumänischen Revolution von 1989 die Aufarbeitung der Vergangenheit des Landes, der zweite Weltkrieg und die kommunistische Zeit, im Fokus der Gesellschaft stand, was sich in der Filmproduktion widerspiegelte.


Ion Popescu-Gopo

Als das Aushängeschild der Fantastik gilt Ion Popescu-Gopo. Der am ersten Mai 1923 in Bukarest geborene und am 28. November 1989 dort auch verstorbene Grafiker, Trickfilmzeichner, Autor, Regisseur und Schauspieler gehörte zu den Begründern der modernen rumänischen Animation und war zudem einer der wenigen rumänischen Künstler (es gibt außer ihm nur zwei weitere) des 20. Jahrhunderts, die in Cannes ausgezeichnet wurden. Popescu-Gopo startete seine Karriere 1939 als Grafikdesigner und Cartoonist für verschiedene Tageszeitungen. 1949 veröffentlichte er mit dem Kurzfilm „Punguța cu doi bani“ („Das Säckel mit zwei Groschen“) sein Debüt und fing 1950 an für den Animationsbereich des Filmstudios Studioul Cinematografic București (Filmstudio Bukarest) zu arbeiten, welches später zu einer eigenständigen Firma mit Namen Animafilm wurde. Seine bekannteste Schöpfung stellt ein kleines, in schwarz-weiß gezeichnetes Männchen dar, das den Spitznamen „Gopo’s kleiner Mann” trägt und die Hauptfigur in acht seiner Animationskurzfilme ist. Einige Jahr später gab er zur Auskunft, dass er mit seinen Animationsfilmen gegen Walt Disney rebellieren wollte. Da Gopo in Sachen in Punkto Farbigkeit und Eleganz allerdings nicht mit Disney mithalten konnte, setzte er auf einen stark reduzierten Stil, dafür aber inhaltlichen Tiefgang.


„S-A Furat O Bomba“

1961 erschien der erste abendfüllende Realfilm „S-A Furat O Bomba“ („Es wurde eine Bombe gestohlen“), eine utopische, surreale Science-Fiction-Komödie ohne Dialoge, die in Cannes für eine Nominierung für den besten Film erhielt und von einem Jedermann erzählt, der eine Blume pflückt und sich mit einem Mal einer Reihe von Bösewichten gegenübersieht, die Eimer auf ihren Köpfen tragen. In dieser Welt, in der Computer von Gehirnen in Einmachgläsern betrieben werden, besucht der Held auch ein Kino, in dem die Aushangfotos für einen Jekyll-und-Hyde-Film allerlei panische Reaktionen auslösen. Der Protagonist gerät dann zufällig an eine Tasche mit einer Bombe, die von einer Gangsterbande geklaut wurde. Es folgen klägliche Versuche ihm die Bombe wieder abzuluchsen und auch seinerseits Bemühungen sie zurückzugeben. Zwischenzeitlich verliebt er sich in eine Frau, die ihm am Ende zeigt was er in seiner Tasche hat. Die beiden brechen kleine Teile der Bombe ab, verteilen sie in der Bevölkerung und allerlei Gegenstände werden zu Fortbewegungsmitteln. An dieser Stelle zeigt sich die Möglichkeit Atomenergie für friedliche Zwecke zu nutzen und durch die kostenlose Verteilung wird die kommunistische Ideologie angesprochen, zu der – zumindest theoretisch – die gerechte Verteilung der Ressourcen gehört.


„Pași spre lună“


„Comedie fantastică“

Auch „Pași spre lună“ („Schritte zum Mond“) (1963) kommt – mal abgesehen von einer Musical-Einlage – komplett ohne Dialoge aus. Inhaltlich dreht sich alles um einen jungen Astronauten in einer Raumstation, der sich zum Abflug fertig macht, aber mit seinem Rasierer versehentlich einen Kurzschluss verursacht, der ihn in eine prähistorische Ära katapultiert. Von da aus startet er eine abstrakte Reise durch die Geschichte des Fliegens, bei der ihm sowohl fiktive Motive wie der fliegende Teppich aus „Tausendundeiner Nacht“ als auch reale historische Persönlichkeiten wie Leonardo Da Vinci begegnen. „Comedie fantastică“ („Fantastische Komödie“) (1975) erzählt von einer Alien-Zivilisation, die unter einer Energie-Krise leidet und deswegen einen Androiden zur Erde schickt, der die Wahrheit über eine neue Form von Treibstoff herausfinden soll, der von einem Professor entwickelt wurde, der wiederum auf einen Neuanfang für die Menschheit im All hofft.


„Galax, omul papuse“

1982 eroberte Steven Spielbergs „E.T. – Der Außerirdische“ die Herzen der Zuschauer weltweit und hinterließ tiefe Fußstapfen in der Filmgeschichte, was sich vor allem durch zahlreiche Nachzügler äußerte, die sich auf die ein oder andere Weise an das zuckersüße Sci-Fi-Märchen anlehnten und so bekam Popescu-Gopo den Auftrag eine rumänische Version von E.T. zu kreieren, was er auch tat. Allerdings auf recht eigene Weise: „Galax, omul papuse“ („Galax, der Puppenmann“) (1984) schildert die Beziehung zwischen einer unangepassten Studentin und einem Androiden, der an ihrer Universität gebaut wurde. Unter dem Titel Galax – Der gefühlvolle Roboter lief die Spielberg-Variante 1986 in Deutschland sogar auf RTLplus und 1987 in der DDR auf DFF1.


„Elixirul tinereții“


„Efectul razelor gamma asupra anemonelor“

Final noch zwei Filme von anderen Regisseuren: „Elixirul tinereții“ („Das Jugendelexier“) (1975, Regie: Gheorghe Naghi) spielt in einer Zukunft in der die Jugend wiederhergestellt werden kann. Zu verdanken hat man das einer eher zufällig entstandenen Mischung aus Chemikalien. Jedoch bleibt der rundum erneuerte Zustand nicht ohne Konsequenzen.

Der Fernsehfilm „Efectul razelor gamma asupra anemonelor“ („Die Wirkung von Gammastrahlen auf Anemonen“) ist eine Adaption des Theaterstücks „The Effect of Gamma Rays on Man-in-the-Moon Marigolds“ („Die Wirkung von Gammastrahlen auf Ringelblumen“) des amerikanischen Dramatikers, Schriftstellers und Pädagogen Paul Zindel, das bereits 1972 mit Joanna Woodward und Paul Newmann verfilmt wurde und von einer völlig verbitterten Witwe erzählt, deren jüngste Tochter mittels wissenschaftlicher Experimente vor der grauen Wirklichkeit flieht …

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