25. März 2020 4 Likes

Unsere Quarantäne-Leseempfehlungen

Sieben fantastische Schmöker für alle, die jetzt zu Hause festsitzen

Lesezeit: 6 min.

Ein Land begibt sich in Abschottung. Die Pandemie hat nun auch Europa fest im Griff, aber noch sind wir nicht gewillt, die Hoffnung aufzugeben. Überall helfen Menschen einander, und man teilt TV- und Leseempfehlungen. Wer also nach neuem Lesestoff für die Quarantänezeit sucht, ist hier richtig.

Aber wie kommt man an die Bücher? Nun, der Online-Handel existiert noch, wenn auch mit Einschränkungen. Noch viel besser wäre es aber, wenn Sie versuchen, eine Ihrer lokalen Buchhandlungen zu unterstützen, die zurzeit wie so viele andere vielleicht einen Direkt-vor-die-Tür-Lieferservice aufgebaut haben, zum Beispiel das Otherland in Berlin

Wo ein Buch ist, da ist auch ein Weg – und hier sind sieben wunderbare Schmöker für harte Zeiten.

 

Elisabeth Bösl empfiehlt:

Dmitry Glukhovsky: METRO - Die Trilogie„METRO – Die Trilogie“ von Dmitry Glukhovsky

Schon auf den ersten Blick erkennt man gleich, warum sich Dmitry Glukhovskys „METRO – Die Trilogie“ für die Quarantäne anbietet: Es ist ein richtig dicker Schmöker (1616 Seiten), der drei hervorragende Romane, zwei Kurzgeschichten und Bonusmaterial enthält, von schicken Metro-Karten ganz zu schweigen. Die Abenteuer des jungen Russen Artjom, der seit dem Dritten Weltkrieg in der Moskauer U-Bahn lebt, deren Stationen sich zu kleinen „Stadtstaaten“ entwickelt haben und gegen die Monster kämpfen, die von der verstrahlten Oberfläche hereinkommen, reichen locker für zwei Wochen Isolation. Auf den zweiten Blick weiß dieser Titel ebenfalls zu überzeugen: Das Hardcover wiegt gefühlt eine halbe Tonne und eignet sich daher hervorragend zur Verteidigung des Eigenheims gegen Plünderer, etwa wenn die Nachbarn bei der Beschaffung von Toilettenpapier „kreativ“ werden …

Dmitry Glukhovsky: METRO – Die Trilogie · Originaltitel: Metro 2033, Metro 2034, Metro 2035 · Aus dem Russischen von David Drevs · Heyne Verlag · 1616 Seiten · Hardcover im Sonderformat: 35,– Euro (im Shop)

 

Stefanie Brösigke empfiehlt:

Rob Hart: Der Store„Der Store“ von Rob Hart

In der nahen Zukunft hat der Klimawandel ein Leben außerhalb der großen Städte unmöglich gemacht. Gott sei Dank gibt es das riesige Online-Unternehmen Cloud. Cloud liefert alles. Überall hin. Zu jeder Zeit. Doch Cloud weiß auch alles. Es weiß, was die Menschen brauchen, bevor sie es selbst wissen. Es weiß, wo sie sich gerade aufhalten und was sie letzten Sommer getan haben. Es gibt den Menschen Arbeit und ein Zuhause. Und wer sich nicht perfekt ins System aus Leistungsmaximierung und Gehorsam einfügt, fliegt ganz schnell wieder raus aus der schönen Hochglanzwelt. Als die beiden Cloud-Mitarbeiter Paxton und Zinnia eines Tages beschließen, das Unternehmen zu Fall zu bringen, nimmt die Katastrophe ihren Lauf. Auf hochunterhaltsame und bitterböse Weise nimmt der amerikanische Autor Rob Hart in seinem Debütroman „Der Store“ unser Konsumverhalten unter die Lupe. Ein Near-Future-Roman, der sich so spannend liest wie ein Thriller.

Rob Hart: Der Store · Originaltitel: The Warehouse · Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt · Heyne Verlag · 592 Seiten · Hardcover: 22,– Euro (im Shop)

 

Christian Endres empfiehlt:

Ian McDonald: CyberabadCyberabad“ von Ian McDonald

Seit Ende der 1980er kreiert der britische Science-Fiction-Könner Ian McDonald gehaltvolle Zukunftsvisionen – über den Mond, Afrika, Südamerika, Istanbul oder Japan. In „Cyberabad“ hat er sich Indien im Jahr 2047 vorgenommen, das von Fundamentalismus und Fortschritt schier erdrückt wird. Seine futuristische Vision Indiens ist voll vernetzt, wobei künstliche Intelligenzen ebenso präsent sind wie göttliche Avatare oder virtuelle Seifenopern. Dazu kommen Globalisierung, Klimawandel, Intrigen, Krieg, außerirdische Artefakte und einiges mehr. Am Anfang hat der Wälzer mit seinen vielen Perspektiven und Protagonisten die Anmutung einer verstopften Hauptstraße in Mumbai. Doch es macht enormen Spaß, sich ins Gewimmel von „Cyberabad“ zu stürzen, sich darin zu verlieren und dieses beeindruckend konstruierte, reichhaltige Zukunftspanorama zu erkunden. Ein vollmundiges SF-Curry.

Ian McDonald: Cyberabad · Originaltitel: River of Gods · Aus dem Englischen von Bernhard Kempen · Heyne Verlag, 2012 · 799 Seiten · E-Book: 9,99 Euro (im Shop)

 

Bernd Kronsbein empfiehlt:

Rachel Bach: Sternenschiff (Paradox 1)Sternenschiff“ von Rachel Bach

Leichte Kost für harte Zeiten: Rachel Bach stellt im Auftaktband ihrer Space Opera-Trilogie die Söldnerin Devi Morris vor, die ihren Job kann, jeden unter den Tisch trinkt und Männern, die sie toll findet, nicht nur auf den Arsch starrt, sondern auch reihenweise abschleppt. Ehrgeizig ist sie dazu, denn sie will unbedingt zu den Devastoren, der Leibtruppe des Königs. Doch diese Truppe akzeptiert fast nur gestandene Veteranen. Daher ist sie bereit, einen äußerst gefährlichen Job anzunehmen, um bei den Devastoren Eindruck zu schinden. Sie heuert als Sicherheitsbegleiter an Bord des Handelsschiffs Glorreicher Narr an, dem ein übler Ruf vorauseilt, denn längst nicht jeder überlebt den Kontrakt auf dem berüchtigten Kahn. Bach mixt Military-SF und Space Opera und scheut sich auch nicht, als emotionalen Kitt eine Menge „Romance“-Elemente einzubauen – ohne jeden Kitsch. Sicher, Bach öffnet auch ein wenig die „Gender“-Schublade, aber sie hat keine Lust auf Diskurse. Devi ist einfach eine geile Heldin, an deren Seite man sich köstlich amüsiert, und damit gut.

Rachel Bach: Sternenschiff · Originaltitel: Fortune’s Pawn – Paradox 1 · Aus dem Amerikanischen von Irene Holicki · Heyne Verlag, 2016 · 448 Seiten · E-Book: 8,99 Euro (im Shop)

 

Sascha Mamczak empfiehlt:

Ta-Nehisi Coates: Der Wassertänzer„Der Wassertänzer“ von Ta-Nehisi Coates

Die Zeiten, das ist natürlich eine Binsenweisheit, waren schon einmal schlechter. Viel schlechter. So schlecht, dass sie wie Schwarz-Weiß-Fotos auf dem Dachboden unserer kollektiven Psyche verstauben und, wenn überhaupt, nur noch Schwarz-Weiß-Assoziationen wecken. Ta-Nehisi Coates’ Roman „Der Wassertänzer“ spielt im amerikanischen Süden zu Zeiten der Sklaverei, und welche Assoziationen auch immer jetzt in diesem Moment in Ihrem Kopf geweckt werden – schieben Sie sie zur Seite und lesen Sie dieses Buch. Nein, versinken Sie in diesem Buch. „Der Wassertänzer“ ist das fantastischste und zugleich wahrste Bild, das jemals ein Schriftsteller von diesem Kapitel der amerikanischen Geschichte gezeichnet hat – einem Kapitel, ohne das man die Welt, in der wir leben, nicht verstehen kann. Die Erinnerung, heißt es zu Beginn, kann „ein Land wie ein Tuch falten“. Und noch mehr: Die Erinnerung entfaltet die Zukunft.

Ta-Nehisi Coates: „Der Wassertänzer“ · Originaltitel: The Water Dancer · Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben · Blessing Verlag · 544 Seiten · Hardcover: 24,– (im Shop)

 

Sebastian Pirling empfiehlt:

Christopher Ruocchio: Das Imperium der Stille„Das Imperium der Stille“ von Christopher Ruocchio

Es gibt doch nichts Schöneres als ein gepflegtes Toga-und-Sandalen-Epos … in space! Wo andere Sternenimperien bei näherer Betrachtung eher wie aus dem Ruder gelaufene Unterhaussitzungen des britischen Empires wirken (I am looking at you, Star Wars), holt uns Christopher Ruocchio in seinem Debütroman zurück in die Tradition von Cäsar und Karl dem Großen bis hin zu Shaddam IV, dem Padischah-Imperator aus „Der Wüstenplanet“. Das ist die eigentliche Stärke von „Das Imperium der Stille“ – die Größe, Farbigkeit und Üppigkeit der Welt, die Ruocchio in seinem Epos aufspannt, die schillernden Machtverhältnisse, in die wir Leser an der Seite der Hauptfigur Hadrian Marlowe hineingestoßen werden, und die schiere Lust des Autors am Fabulieren. „Das Imperium der Stille“ ist, wie man so schön sagt, das größte Ding seit Ben Hur – und bald erscheint die Fortsetzung!

Christopher Ruocchio: „Das Imperium der Stille“ · Originaltitel: Sun Eater – Empire of Silence · Aus dem Amerikanischen von Kirsten Borchardt · Heyne Verlag · 992 Seiten · Paperback: 16,99 Euro (im Shop)

 

Alexander Schlicker empfiehlt:

Naomi Alderman: Die GabeDie Gabe“ von Naomi Alderman

Es ist wohl eine der schwersten Aufgaben von Entertainment, unmittelbare Unterhaltung und kluge Reflexion so zu verhandeln, dass nicht eins von beidem als bloßes Feigenblatt erscheint. Doch Naomi Alderman zeigte nicht nur den Mut, sich dieser Herausforderung zu stellen, sondern brachte mit ihrer unerschrocken harten Dystopie, in der Frauen mittels mysteriöser Kräfte u.a. ein Quasi-Matriarchat errichten, genau die Qualitäten aufs Papier, die es braucht, um genannte Pole auszutarieren. Ihre aus mehreren Figurenperspektiven und Metapositionen choreografierte Vision versteigt sich dabei nicht in einen simplen Gut-Böse-Schematismus oder liefert plakative Antworten zur oft leider erstarrten Genderdebatte. Vor dem Hintergrund eines spannend konstruierten, manchmal geradezu sinistren Plots hält uns Alderman vielmehr den Spiegel vor, wie feingliedrig Machtdiskurse auch innerhalb unserer Gesellschaft nach wie vor wirken. Ein Buch mit echter Haltung, dem man sich unbedingt stellen sollte.

Naomi Alderman: Die Gabe · Originaltitel: The Power · Aus dem Amerikanischen von Sabine Thiele · Heyne Verlag · 480 Seiten · E-Book: 13,99 Euro (im Shop)

Kommentare

Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden oder Registrieren.
Sie benötigen einen Webbrowser mit aktiviertem JavaScript um alle Features dieser Seite nutzen zu können.