13. Dezember 2023 4 Likes

Das Beste aus 2023

Ein Jahresrückblick und die Weihnachtsempfehlungen der Redaktion

Lesezeit: 16 min.

 

Für ein Jahr, das schon so weit in der Zukunft einiger Science-Fiction-Romane von damals liegt (Grüße gehen raus an George Orwell, Philip K. Dick, und knapp auch an Octavia E. Butler), hat uns 2023 mit erschütternd vielen Dingen konfrontiert, die wir eigentlich in der Vergangenheit gewähnt hatten. Panzerkriege, Terror und Bombenhagel in Nahost, das Ende von „Wetten, das ..?“. Aber an Zukünften ist in der Science-Fiction kein Mangel – und so haben wir alle Redakteurinnen und Redakteure versammelt, um Ihnen unsere persönlichen Rückblicke und Ausblicke, Highlights und Geschenkempfehlungen für die Feiertage mitzugeben.

Wir wünschen Ihnen friedliche Festtage!

Ihre diezukunft.de-Redaktion

 

Elisabeth Bösl  Elisabeth Bösl

 

 

Buch

 T. J. Klunes Aus Sternen und Staub

Auch 2023 brauchen wir alle eine große Portion Liebe, Wärme und Zuversicht, und kein anderer Roman in diesem Jahr schenkt uns so viel davon wie T. J. Klunes „Aus Sternen und Staub“ (Heyne). Die Geschichte um Nate, Alex und das Mädchen mit dem rätselhaften Namen Artemis Darth Vader ist wie eine wohlig-warme Decke an einem eiskalten Wintertag.

Klassiker

Dune – Der Wüstenplanet von Frank Herbert

Er gilt als erfolgreichster Science-Fiction-Roman aller Zeiten: „Dune – Der Wüstenplanet“ von Frank Herbert (Heyne), von Denis Villeneuve in zwei Teilen neu verfilmt. Auf den Kinostart von Teil 2 müssen wir noch bis 2024 warten, dafür gibt es den Klassiker jetzt in einer schicken HC-Ausgabe im Schuber mit Bonusmaterial und einer fantastischen neuen Poster-Karte.

Space Opera

Die Sirenen des Titan von Kurt Vonnegut

Es ist unmöglich, „Die Sirenen des Titan“ von Kurt Vonnegut (Heyne) in so wenigen Zeilen zusammenzufassen, wie sie mir hier zur Verfügung stehen, deswegen: Lesen Sie dieses aberwitzige, grandiose, tiefsinnige und zum Brüllen komische Buch. Es wird Ihr Leben verändern.

TV-Serie

Cunk on Earth

Zu Beginn des Jahres hat Netflix mir eine große Dosis Frohsinn beschert: „Cunk on Earth“ (Netflix) ist eine Mockumentary aus Großbritannien, in der Journalistin Philomena Cunk (Diane Morgen) durch die Geschichte der Menschheit führt und Experten absurde Fragen stellt. Beim Totlachen habe ich tatsächlich auch das ein oder andere gelernt.

Game

Graveyard Keeper von Lazy Bear Games

Ich bin eigentlich keine Freundin von Aufbau-Spielen, aber Graveyard Keeper von Lazy Bear Games (Steam) hat es mir dann doch angetan. Die „historisch ungenaueste Mittelalter-Friedhofsmanagement-Simulation“ besticht durch einen kommunistischen Esel, einen sprechenden Totenschädel, und, ach, hatte ich die Hexenverbrennung erwähnt?

Das Besondere

Octavia E. Butlers Die Parabel vom Sämann

Es gibt Bücher, die lassen einen nicht mehr los. Für mich gehört Octavia E. Butlers Meisterwerk „Die Parabel vom Sämann“ (Heyne) dazu, das in einer fantastischen neuen Übersetzung erschienen ist. Die Geschichte einer jungen Schwarzen Frau, die sich ihren Weg durch ein Amerika der Zukunft sucht und dabei eine neue Religion gründet, ist erschreckend aktuell.

Fail

Wintereinbruch in Bayern

Der jüngste Wintereinbruch in Bayern Anfang Dezember. Einerseits fragt man sich, wie oft wir so viel Schnee noch erleben werden, und freut sich über die weiße Pracht. Andererseits greift man sich an den Kopf, weil Bahn, ÖPNV, Flugverkehr und generell alle, die ihre Wohnungen verlassen, offenbar komplett vergessen, wie man damit umgeht.

Highlight

Reiskocher

Ich habe das Alter erreicht, in dem ich mich in einem ungesunden Maße für Küchengeräte begeistern kann. Zum Beispiel für einen Reiskocher, der auch Gemüse dämpft (Reishunger.de). Kochbeutel ade, bei mir gibt es ab jetzt immer fluffigen, perfekt gekochten Reis!

 

  Stefanie Brösigke

 

 

Neuerscheinung

The Future Naomi Aldermans

Das lange Warten auf Naomi Aldermans neuen Roman hat sich gelohnt! „The Future“ (Heyne) ist eine Tour de Force durch die nahe Zukunft, in der liebgewonnene Gewohnheiten der westlichen Wohlstandsgesellschaft gnadenlos auseinander genommen werden. Ein brillanter, böser und witziger Roman, von dem ich, ohne zu übertreiben, sagen kann, dass ich nach der Lektüre die Welt mit anderen Augen gesehen habe.

Klassiker

Die Parabel vom Sämann Octavia Butler

Octavia Butler zählt zu den ganz großen Autorinnen der Zukunftsliteratur und verdient viel mehr Aufmerksamkeit. Ihr Roman „Die Parabel vom Sämann“ (Heyne) liest sich wie ein Kommentar zum aktuellen Zeitgeschehen, wurde aber bereits 1993 veröffentlicht. Die von Dietlind Falk wunderbar übersetzte Neuausgabe kommt sogar mit einem Vorwort von N. K. Jemisin daher und ist eine wunderbare Lektüre für die Weihnachtsferien.

Space Opera

Grace Curtis Das Raumschiff, das vom Himmel fiel

Strenggenommen ist Grace Curtis Debütroman „Das Raumschiff, das vom Himmel fiel“ (Heyne) eher ein Space Western als eine Space Opera, aber die Geschichte einer auf der Erde gestrandeten Raumschiffpilotin ist so verrückt, anrührend und spannend, dass ich sie trotzdem unbedingt empfehlen möchte. Und literaturgeschichtlich gesehen, sind Western und Space Operas ja auch irgendwie verwandt …

TV-Serie

Sex Education

Dieses Jahr war endlich die vierte Staffel der britischen Kultserie „Sex Education“ (Netflix) zu sehen. Zum Brüllen komisch und mit einer – wieder mal – grandiosen Gillian Anderson in einer der Hauptrollen. Da bieten sich die Weihnachtsferien an, sich auch die ersten drei Staffeln gleich noch mal zu Gemüte zu führen.

Beste Szene

Naomi Aldermans The Future

Hier gibt es einen ganz klaren Gewinner. Die erste Szene in Naomi Aldermans „The Future“ (Heyne): CEO Lenk Sketlish versucht, mithilfe eines Achtsamkeitscoaches, seinen Jähzorn in den Griff zu bekommen. Leider treibt ihn die Meditationsübung erst recht in den Wahnsinn. Ich habe Tränen gelacht und das Wort „Schleimhauttrompeten“ sofort in meinen aktiven Wortschatz überführt.

Comic

Die weiße Iris Asterix

Nachdem ich die letzten Asterix-Bände etwas schwach fand, legen Didier Conrad (Zeichnungen) und Fabcaro (Text) nun mit „Die weiße Iris“ (Egmont) einen neues Abenteuer des kleinen Galliers vor, das an die fantastischen Werke des legendären Duos Uderzo / Goscinny anschließt. Weniger Wildschwein, mehr Gemüse und Römer, die sich freudig verprügeln lassen – das können Asterix und Obelix nicht hinnehmen!

Das Besondere

Schlafhaube

Ich habe seit diesem Jahr eine Schlafhaube. Die ist sogar aus Seide. Ja, es klingt komisch, und ja, ich sehe damit aus wie Witwe Bolte.  Aber das macht nichts, denn meine Haare LIEBEN dieses Teil. Und sind meine Haare glücklich, bin ich es auch.

Highlight

Goldmull

Man hat den Goldmull wiederentdeckt! Nachdem er 87 Jahre als ausgestorben galt, stießen südafrikanische Forscher nach zweijähriger Suche nun auf Spuren des Goldmulls (n-tv.de). Nachdem man davon ausgehen muss, dass täglich etwa 130–150 Tierarten aussterben, ist die Entdeckung, dass der Goldmull noch unter uns ist, für mich die schönste Nachricht des Jahres!

 

  Christian Endres

 

 

Buch

The Future von Naomi Alderman

Nicht nur, weil der Titel so gut zu dieser Website passt: „The Future“ von Naomi Alderman (Heyne) ist ein wirklich großer Zukunftsroman – in dem es letztlich um unsere Gegenwart geht. Eine faszinierende, scharfsinnige, kluge, gehaltvolle Betrachtung dieser Zeit, Gesellschaft und Welt. Klimakrise, Soziale Netzwerke, Influencer, Tech-Milliardäre, Kapitalismus, trotz allem auch Hoffnung …

Klassiker

Die Parabel vom Sämann Octavia E. Butler

Spätestens durch den Abgleich mit dem Heute, das sich Octavia E. Butler vor 30 Jahren unheimlich treffsicher vorgestellt hat, wird ihr Roman „Die Parabel vom Sämann“ (Heyne) von 1993 zum Klassiker. Ein dystopischer, endzeitlicher Geniestreich zwischen kollabierenden Systemen, Extremwetter, Populismus und einigem mehr. Pflichtlektüre für Fans von „The Road“, „The Walking Dead“ etc.

Space Opera

Saga von Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Fiona Staples

Nach vier Jahren Pause gab es endlich einen neuen dt. Sammelband des SF-Comics „Saga“ (Cross Cult), wie gewohnt inszeniert von Autor Brian K. Vaughan und Zeichnerin Fiona Staples. Und selbst wenn die Story von Hazel, Alana und Co. nicht mehr so wow ist wie vor rund zehn Jahren zum Serienstart, reißt diese frivole, unberechenbare, frische Space-Opera doch noch immer mit.

Film

Spider-Man: Across the Spider-Verse

Wenn es um Spider-Man geht, bin ich heute berufsbedingt deutlich schwerer zu flashen als früher. Und doch ist es dem bunten, mitreißenden Animationsfilm-Spektakel „Spider-Man: Across the Spider-Verse“ (Sony) um Miles und Gwen gelungen, mich ein weiteres Mal für Marvels Netzschwinger zu begeistern. Trotz Cliffhanger sowie der Wartezeit auf die Fortsetzung.

Comic

Snapdragon von Kat Leyh

Snapdragon von Kat Leyh (Reprodukt) besticht als wundervolle Graphic Novel über Freundschaft, Magie, Familie, Hexen – und Tierskelette. Energiegeladene Zeichnungen, tolle Figuren, super Dialoge, ein unaufgeregter, souveräner Umgang mit großen Themen wie Gender und Identität. Und dazu eine Hexe, die Oma Wetterwachs alle Ehre macht, obwohl sie Motorrad fährt …

Lieblingsszene

Star Wars: Ahsoka

Ursprünglich wollte ich hier ja James Kestrels historischen Hardboiled-Krimi „Fünf Winter“ abfeiern, der ab der ersten tropischen Szene überragt. Aber dann fiel mir ein, wie oft ich mir das Live-Action-Debüt von Sabine Wren auf ihrem Speedster in „Star Wars: Ahsoka“ (Disney+) reingezogen, und wie oft ich mir den Space-Punk-Song „Igyah Kah“ seitdem angehört habe.

Fail

Justified: City Primeval

„Justified“ gehört zu meinen All-Time-Lieblings-Fernsehserien. Über den Sommer habe ich sie sogar noch mal am Stück gestreamt, und der Trip nach Kentucky war wieder grandios. Umso größer kurz darauf die Enttäuschung darüber, dass das 2023er Sequel „Justified: City Primeval“ (Disney+) trotz Timothy Olyphant in seiner Paraderolle als Raylan Givens so wenig richtig macht.

Highlight

Wolfszone Christian Endres

Es war ein gutes Jahr für mich als Autor. Meine SF-Story „Die Straße der Bienen“ erhielt den Literaturpreis Klimazukünfte 2050 (Hier). Dann sind gleich zwei Fantasy-Romane meiner Serie „Die Prinzessinnen“ erschienen (Cross Cult). Und während ich das hier tippe, verpassen wir meinem SF-Roman „Wolfszone“, der im Mai 2024 bei Heyne kommt, gerade den letzten Schliff. Vorbestellen erlaubt! :)

 

  Bernd Kronsbein

 

 

Buch

Lucy Kissick Projekt Pluto

Hard SF in Reinkultur: Lucy Kissick beschreibt in „Projekt Pluto“ (Heyne) den Versuch, den Ex-Planeten einem Terraforming-Prozess zu unterziehen, auch wenn erst viel spätere Generationen die Früchte ernten können. All das wäre jedoch nichts ohne die tollen Figuren, denen Kissick trotz der eisigen Umgebung viel Wärme einhaucht.

Klassiker

Arthur C. Clarke  Rendezvous mit Rama

Arthur C. Clarke gehört natürlich zu den Überklassikern des Genres, und „Rendezvous mit Rama“ (Heyne) ist sein bester Roman. Man ist dabei, wenn Wissenschaftler das unbekannte Objekt im All betreten und erforschen, und man staunt und erstarrt, und es passiert – nichts. Ein Erstkontakt-Roman ohne Erstkontakt. Auch heute noch ein kleines Wunder.

Space Opera

Der Thron der Sonne

Nach dem Abschluss von James Coreys „Expanse“-Serie ist Christopher Ruocchios „Sonnenfresser“-Reihe vielleicht die aktuell beste Space Opera, auf jeden Fall die atemberaubendste. Das zeigt auch der dritte Band, „Der Thron der Sonne“ (Heyne), in dem Hadrian auf der Spur der „Stillen“ ist. Intrigen, Schlachten, Aliens, ein Schicksal, so groß wie das Universum.

Comic

Letztes Wochenende im Januar Bastien Vivès

Beim Comic-Festival im französischen Angoulême kommt es zu einer kurzen Affäre zwischen einem Zeichner und einer Frau, die als Anhängsel ihres Mannes mit vor Ort ist. „Letztes Wochenende im Januar“ (Schreiber & Leser) von Bastien Vivès ist eine schmerzhafte Geschichte (auch) über verpasste Chancen, grandios auf den Punkt inszeniert.

TV-Serie

Copenhagen Cowboy

„Dänischer Abschaum!“ Ha, von wegen. Lars von Triers Mitdäne Nicolas Winding Refn zeigt mit „Copenhagen Cowboy“ (Netflix) einmal mehr, was so geht, wenn sich einer traut. Wer vor allem auf Story o. ä. schaut, ist hier im falschen Pixel-Pool gelandet, aber wer sich auch mal überraschen lassen möchte, wird großen Spaß haben.

Film

Nimona

Man hatte kaum noch damit gerechnet, und dann war „Nimona“ (Netflix) plötzlich da. Eine herrliche Mischung aus Fantasy und SF, unglaublich frisch und witzig, super getimt, ein echter Hoffnungsschimmer am Animationshimmel, ein kräftiger Tritt in den Arsch, der nach all der Ödnis, die zuletzt selbst von Pixar kam, wie eine Offenbarung wirkte.

Highlight

K-Dramen

Erst wenn die letzte glatte US-Serie geguckt, der letzte deutsche „Schwarm“ ausgewürgt, der letzte Ninja Warrior ins Wasser gestürzt ist, werdet ihr merken, dass in Südkorea TV entsteht („K-Dramen“), das einem den Glauben an gutes Fernsehen zurückgibt: „Twenty Five, Twenty One“, „Hometown Cha-Cha-Cha“, „Our Blues“, „Encounter“, „Thirty-Nine“, „Hospital Playlist“, kein Ende in Sicht …

Lieblingsszene

Twenty Five, Twenty One

Im K-Drama „Twenty Five, Twenty One“ (Netflix) zerstört die Schülerin Na Hee-Do versehentlich einen geliehenen Comic, zeichnet in ihrer Panik die fehlenden Seiten einfach neu und klebt sie ein. Es fällt dann leider doch auf: Drama und Comedy in Vollendung, zum Niederknien großartig. Und nicht nur diese Szene.

 

  Sascha Mamczak

 

 

Buch

Naomi Alderman The Future

Unsere Worte wurden aus dem Leben herausdestilliert und in die Währung einer globalen Kommunikations- und Manipulationsindustrie konvertiert. Von dieser Gegenwart, die einmal eine Zukunft war, erzählt Naomi Alderman in „The Future“ (Heyne) – und von der Hoffnung, dass sich die Dinge immer ändern werden, dass kein System ewig Bestand hat.

Klassiker

Ursula K. Le Guin Immer nach Hause

Die menschliche Zivilisation ist in ihrer jetzigen Form nicht zukunftsfähig, das wusste Ursula K. Le Guin schon immer. Wie aber können wir leben? Oder besser gefragt: Wie könnten wir einmal gelebt haben werden? „Immer nach Hause“ (Carcosa), jetzt endlich übersetzt, ist das zentrale Werk der Autorin: ein Epos, ein Gesang, eine Schule der Wahrnehmung.

Space Opera

Dune – Der Wüstenplanet

Okay, Frank Herberts stilbildende, absolut zeitgemäße Ferne-Welten-Saga hat es gefühlt in fünfzig verschiedenen deutschen Ausgaben gegeben, aber noch nie so opulent und gravitätisch: „Dune – Der Wüstenplanet“ als Luxusausgabe (Heyne). Kennen Sie jemanden, der dieses Buch noch nicht gelesen hat? Und suchen Sie vielleicht noch ein Geschenk?

Film

Martin Schilts Krähen – Die Natur beobachtet uns

Sie wissen vieles, was wir Menschen auch wissen: wie man sich zum Beispiel mit Werkzeugen einen Pfad durch die Welt bahnt. Aber sie wissen auch etwas, was wir nicht wissen – und sie erzählen es uns Tag für Tag. Warum nur hören wir nicht zu? Martin Schilts „Krähen – Die Natur beobachtet uns“ (Lucky Film) ist mein Alien-Abenteuer des Jahres.

Lieblingsszene

Emily St. John Mandels Das Meer der endlosen Ruhe

Gleich am Anfang von Emily St. John Mandels „Das Meer der endlosen Ruhe“ (Ullstein) trifft sich eine Gruppe von Menschen, die sich nur flüchtig kennen. Tatsächlich aber werden sie sich einmal sehr gut kennen – was in dieser wunderbar komponierten und lange nachhallenden Zeitreisegeschichte heißt: Sie kennen sich schon gut, sie haben sich immer gut gekannt.

Das Besondere

Fritz Langs Metropolis

Vor hundert Jahren war ein Kinobesuch in Deutschland auch ein Konzertbesuch, die Stummfilme wurden mit Live-Musik aufgeführt. Fritz Langs „Metropolis“ war so ein Film, und ich hatte das große Glück, Karten für eine Münchner Aufführung dieses SF-Kunstwerks „so wie damals“ zu ergattern: die Originalpartitur gespielt vom Babylon Orchester Berlin.

Fail

Am 7. Oktober ereignete sich ein propagandistisch ausgestelltes Massaker an Jüdinnen und Juden

Am 7. Oktober ereignete sich ein propagandistisch ausgestelltes Massaker an Jüdinnen und Juden – und viele, viel zu viele von jenen, die sich als links und progressiv und emanzipatorisch bezeichnen, hatten dafür nur ein Achselzucken übrig. Eine moralische Implosion. Wir leben in sehr düsteren Zeiten.

Highlight

schnee

Es sind düstere Zeiten, aber am ersten Adventswochenende war in München plötzlich alles ganz hell. Es fiel so viel Schnee wie noch nie. Vermutlich war auch das ein Symptom der Klimakrise, und trotzdem: Da lag eine Stille über der Stadt, die man umarmen wollte. Da war die Idee von etwas ganz Neuem.

 

Sebastian Pirling  Sebastian Pirling

 

 

Buch

T. J. Klunes Aus Sternen und Staub

Als ich „Mr. Parnassus’s Heim für magisch Begabte“ las, war ich geschockt: Wie kann jemand so elegant, so eindringlich, so magisch erzählen? Heute weiß ich, das ist T. J. Klunes großes Talent, das er in seinem neuesten Roman „Aus Sternen und Staub“ (Heyne) wieder unter Beweis stellt. Niemand erzählt von den großen und kleinen kosmischen Wundern des Lebens und Liebens so gekonnt wie er. Lesebefehl.

Klassiker

Dune – Der Wüstenplanet Frank Herberts

Die zeitlose Qualität eines Romans wie Frank Herberts „Dune – Der Wüstenplanet“ (Heyne) zeigt sich besonders darin, dass ich beim wiederholten Lesen feststelle, wie das Buch mir immer neue Seiten von sich, über mich und über das Menschsein zeigt. Und eine so großartige Luxusausgabe wie diese hält auch ein Leben lang. Ein Buch zum Vererben.

Space Opera

Adrian Tchaikovskys „Zeit“-Trilogie

Wenn Seifenopern die großen Themen des Lebens in kleine Alltagsgeschichten pressen, so gehen Space Operas den entgegengesetzten Weg. Adrian Tchaikovskys „Zeit“-Trilogie (Heyne) etwa, für die er heuer den Hugo Award bekommen hat, zeigt, wie das mikroskopische Wunder von Mutation, Selektion und Evolution zu einer großen Geschichte des Lebens wird, wenn man sie in die Weiten des Alls hinausträgt.

Film

Oppenheimer

Irgendwann im Laufe der knapp drei Stunden, die dieses monumentale Kinoerlebnis namens „Oppenheimer“ von Christopher Nolan „(Universal)“ dauert, wurde mir klar, dass er eigentlich drei Geschichten erzählt: die von J. Robert Oppenheimer, dem „Vater der Atombombe“, die vom Einzug der nuklearen Waffengewalt in die Menschheitsgeschichte – und die von unserer Erzählung davon. Ein ergreifender, erhellender, erschöpfender, erhebender Film.

Lieblingsszene

Oppenheimer

Filmkunst ist etwas Eigenartiges, ähnlich wie ein Orgelkonzert oder eine Schifffahrt auf stürmischer See. So viele Sinneseindrücke, Überlegungen, Empfindungen und Körperregungen überlagern einander. In der Szene des Trinity-Bombentests in „Oppenheimer“ zerlegt Christopher Nolan ein Schlüsselereignis mithilfe der Kunst in seine atomaren Einzelteile und lässt sie uns alle gleichzeitig erleben und durchleben. Unvergesslich.

Game

The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom

Jedes hinreichend fortgeschrittene Computerspiel, um Arthur C. Clarke zu paraphrasieren, ist von einer erzählten Geschichte nicht zu unterscheiden. Das trifft auf „The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom“ (Nintendo) besonders zu. Das Spiel entführt uns wieder in die Welt von Link, dem Helden von Hyrule – und doch ist alles neu. Mythen, Technologie und bezaubernde Quests verbinden sich zu einer Geschichte, die man (beinahe) selbst erleben kann.

Fail

gewalt

Ob nun im Ukrainekrieg, im Terror von Boko Haram oder beim Massaker der Hamas am 7. Oktober – überall sprechen wir über militärische und politische Dimensionen des Krieges. Dass immerzu auch sexualisierte Gewalt an Frauen und Kindern stattfindet, dass diejenigen, die so etwas erleiden und überleben, danach auch noch stigmatisiert werden – das ist ein unsagbar schlimmes Gräuel. Ein Schandfleck auf unserer Gegenwart.

Highlight

Nimona

Es ist so erfrischend, wenn eine Geschichte daherkommt, die alte Muster des Genres nicht nur aufbricht, sondern niederreißt, miteinander verquirlt und daraus etwas völlig Neues erschafft. Schon der Comic „Nimona“ von N. D. Stevenson war so ein Augenöffner. Die Verfilmung auf Netflix ist ein Glücksfall des fantastischen Erzählens, in jeder Hinsicht.

 

Alexander Schlicker  Alexander Schlicker

 

 

Buch

Rilke Der ferne Magier

Als Fan des Poeten Rainer Maria Rilke verschlinge ich gerade die kürzlich im Siedler Verlag erschienene Biografie „Der ferne Magier“ (Siedler). Autor Gunnar Decker, der Rilkes erstaunliches Leben an der Schwelle zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert spannend wie kenntnisreich schildert, entfaltet mit feinem Stil, wie visionär Rilkes Dichtungen für ein Verständnis der damaligen Umbruchszeit, aber eben auch des Umgangs von Kunst mit Krisen, Chancen und (Selbst-)Wahrnehmungen war. Ein Genuss!

Klassiker

Die linke Hand der Dunkelheit Ursula K. Le Guins

Ich bin oft ein „Nachholer“ in Sachen Genreklassiker und so freut es mich, in diesem Jahr in Ursula K. Le Guins „Die linke Hand der Dunkelheit“ die Bewohner des Planeten Gethen besucht zu haben. Eine durch und durch gewinnbringende Lektüre, die mich, ähnlich wie bei Margaret Atwood, mit ihrer klaren Haltung zu nach wie vor akut wichtigen Themen wie Gendergerechtigkeit ähnlich begeistert wie mit ihren vielen stilistischen Pointen. Wahrheit ist eben manchmal eine Sache der Vorstellungskraft.

Lieblingsszene

Der Zauber der Stille Florian Illies

Da fällt mir Florian Illies meisterhaft erzählter Bestseller „Der Zauber der Stille“ (S. Fischer) zu Caspar David Friedrich ein. Denn obwohl ich mich für Kunst interessiere, hatte ich zunächst nicht vor, dieses Buch ganz zu lesen. Doch schon mit der einleitenden Fahrt auf einem Segler 1818, bei der so viel über Friedrichs Leben, Denken und Schaffen feinsinnig angedeutet wird, hatte mich Illies am Haken. Spätestens nach Goethe, Disney und den Nazis wird klar: ein Werk voller amüsanter, mal bitterer Erkenntnisse.

Das Besondere

Kartenset 100 Fragen

Na, wann haben Sie zuletzt ein wirklich gehaltvolles, im besten Sinne verbindendes Gespräch geführt? Dieses Jahr habe ich das Kartenset „100 Fragen“ von The School of Life entdeckt, das genau dazu anleitet (und auch funktionieren kann). Jede Karte formuliert eine Frage, über die es sich nachzudenken und miteinander zu sprechen lohnt. Vor allem deshalb, da nicht seichte Kalenderspruchkost kredenzt wird.

Serie

The Last of Us

Schön, dass es dann doch immer mehr Videospieladaptionen gibt, die sowohl Fans der Vorlage wie auch Neulinge in ihren Bann ziehen können – und zwar mit Qualität! HBO hat mit „The Last of Us“ eine wirklich top produzierte, atmosphärisch wie schauspielerisch fesselnde Dystopie-Serie an den Start gebracht, die trotz einiger Abweichungen den Vergleich zu den überragenden Games ebenso wenig zu scheuen braucht wie zu „The Walking Dead“ als bisheriger Genrereferenz. Beide Gamerdaumen hoch!

Game

Resident Evil

Eigentlich sollte ich hier objektiv „Alan Wake 2“ oder das jüngste „Zelda“ nennen, doch ich muss mir wohl nach 25 Jahren endlich eingestehen, trotz einiger Tiefpunkte letztlich ein zu großer „Resident Evil“-Nerd zu sein, um nicht das im Frühjahr veröffentlichte Remake von Teil 4 zu meinem Favoriten auszurufen. Capcom machte das ohnehin grandiose Original noch besser (nicht nur aufgrund zeitgemäßer Technik) und ließ mich direkt zwei Durchläufe hintereinander starten. Survival-Horror wie er sein muss!

Fail

Zukunft: Eine Bedienungsanleitung von Florence Gaub

Dass unser Umgang mit Zukunft noch immer geprägt ist von einem Mangel an Visionen, ist auch 2023 eine Enttäuschung. Wir sehen (fast) alle z. B. die Veränderungen unseres Klimas und die Folgen, doch oft geht es dann zu sehr um eigentlich Vergangenes anstatt sich mit Weitsicht um Nachhaltigkeit zu bemühen. Wie wir mit unserem Denken über Zukunft produktiver umgehen können, zeigt etwa das ungemein klarsichtige Buch „Zukunft: Eine Bedienungsanleitung“ von Florence Gaub (RHA Hörbuch).

Highlight

NFL

Tatsächlich will ich hier eindeutig American Football bzw. die NFL nennen. Vor zwei Jahren habe ich mich in diesen wahnsinnig taktischen, physisch außergewöhnlichen, unfassbar spektakulären und schon aufgrund der relativ wenigen Spieltage immer(!) spannenden Sport verliebt, sodass ich in diesem Jahr keine Spielwoche auslasse, ohne mir mehrere Partien in voller Länge anzuschauen. Nur eine Bitte: Muss der alberne Sexismus namens Cheerleading wirklich noch sein?

 

Alexander Schlicker  Sonja Stöhr

 

 

Buch

Sarah Daniels The Exiled

Sarah Daniels „The Exiled“ (Penguin UK) geht da weiter, wo ihr dystopischer Debütroman aufgehört hat. Wenige Monate nach dem Ende von „The Stranded“ müssen die jungen Held:innen mit den Konsequenzen ihres Handelns leben ‒ und sich ihnen stellen. Keine perfekte Dilogie, aber eine, die ich wirklich gern verfilmt sehen würde.

Space Opera

Adrian Tchaikovskys Die Feinde der Zeit

Es gibt nur wenige Romane, deren Erscheinen ich in diesem Jahr entgegenfiebere. Adrian Tchaikovskys „Die Feinde der Zeit“ (Heyne) gehört dazu und steht auf meiner persönlichen „Must Read“-Liste ganz weit oben. Das Veröffentlichungsdatum Mitte Dezember ist also die beste Gelegenheit, die „Zeit-Saga“ nachzuholen.

Comic

Weltraumpolizistin Oma Gurke

2023 war ein fantastisches Comicjahr. Da kann ich mich kaum für einen Favoriten entscheiden ‒ und lande bei einem Titel, der bereits im Frühjahr erschienen ist: „Weltraumpolizistin Oma Gurke“ (Kibitz) ist ein abgedrehter Weltraumspaß über eine rüstige Seniorin, die den freien Willen mit der Stricknadel verteidigen muss. Ganz großes Kino!

Game

Cassette Beasts

Als Pokémon-Fan der ersten Stunde konnten mich die jüngsten Ableger für die Switch nur bedingt überzeugen. Umso schöner, dass ein Indie-Titel all das macht, was ich bei Nintendos Franchise vermisse: gute Story, bizarre Gegner und fantastische Kreaturen. „Cassette Beasts“ (Bytten Studio) versetzt uns in eine Parallelwelt, in der man mithilfe von Walkmans (!) Monster aufnimmt und sich in diese verwandelt. Genial – und ein Riesenspaß!

Das Besondere

Shunas Reise Hayao Miyazaki

Wer Animes mag, kommt am Studio Ghibli nicht vorbei. Die Vorfreude auf „Der Junge und der Reiher“ lässt sich leicht weiter schüren: Bei Reprodukt liegt seit diesem Jahr ein Frühwerk von Altmeister Hayao Miyazaki vor. In „Shunas Reise“ zieht es den jungen Titelhelden gen Westen. Und auf seinem Weg lernt er die Welt mit all ihrer Schönheit und ihrem Schrecken kennen.

Lieblingsszene

Knobi und der Vampir

„Auch winzige Dinge können Großes bewirken“ sagt Hexe Agnes zu Knobi, der sympathischen Heldin aus „Knobi und der Vampir“ (Knesebeck). Das Lächeln, was sich daraufhin auf dem Gesicht des jungen Knoblauchmädchens zeigt, ist Zucker pur ‒ so wie der ganze Comic, der voller Lieblingsszenen ist, in denen Zeichnerin Bree Paulsen die ganze Bandbreite an Emotionen zeigt.

Fail

Spanierinnen  Frauenfußballweltmeisterschaft

2023 ist ein Jahr zum Vergessen. Ein Grund dafür sind die üblichen Verdächtigen. Zu ihnen gesellt sich nun ein weiterer Herr. Da gewinnen die Spanierinnen furios die Frauenfußball- weltmeisterschaft und was passiert? Wir müssen über das Verhalten eines Funktionärs reden. Liebe Männer, ein Tipp: Frau entscheidet selbst, wen sie wann wie küsst.

Highlight

Langschnabeligel

Bei all dem Elend auf der Welt gibt es doch noch gute Nachrichten: Vor Kurzem wurde der nach Sir David Attenborough benannte Langschnabeligel wieder gesichtet ‒ zum ersten Mal seit über 60 Jahren! Das Leben findet wirklich immer einen Weg. Und, wer weiß, vielleicht zieht es kommendes Jahr ja einen Tasmanischen Wolf vor die Fotofalle.

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