12. April 2024

„Parasyte: The Grey“ – Koreanische Körperfresser

Eine neue Serie von Yeon Sang-ho ist zwar nicht originell, aber dennoch sehenswert

Lesezeit: 3 min.

Von einer fremden Entität besessen zu werden, nicht mehr man selbst zu sein: Schon bevor 1956 „Invasion der Körperfresser“ diesen Ansatz ins Kino brachte, war er ein Gedankenspiel der Science-Fiction. Diverse direkte Remakes und zahlreiche Variationen, die in den folgenden Jahrzehnten folgten, belegen die Zeitlosigkeit des Ansatzes, der natürlich auch in anderen kulturellen Kontexten funktioniert.

Schon 1990 veröffentlichte der japanische Autor Hitoshi Iwaaki den Manga „Kiseijuu“, der 2014 als „Parasyte“ zu einem Anime adaptiert wurde. Im Zuge des Erfolgs koreanischer Filme und Serien erscheint nun bei Netflix eine lose Neu-Adaption, bei der Yeon Sang-ho Regie führt. Der feierte mit dem spektakulären Zombies-im-Zug Thriller „Train to Busan“ einen großen Erfolg und dreht seit einigen Jahren einen Hit nach der anderen: Nach „Jung_E“ und „Hellbound“ kommt nun „Parasyte: The Grey“, eine mit nur sechs Teilen erfreulich kompakte Serie, die kaum einmal zur Ruhe kommt und harten Body-Horror-Action mit gesellschaftskritischen Momenten verbindet.

Es beginnt bei einem Rave in Korea, der plötzlich von einer außerirdischen Invasion aufgemischt wird: Parasiten befallen die Feiernden auf spektakuläre und blutige Weise. Eine Sonderkommission namens The Grey wird eingesetzt, geleitet von Choi Jun-kyung (Jung Hyun Lee), die einst selbst Opfer eines Parasiten wurde und verstümmelt und voller Wut überlebte.

Einige Monate später formieren sich die Parasiten bzw. ihre menschlichen Wirte unter dem Deckmantel einer religiösen Sekte. Äußerlich lässt sich kein Unterschied zwischen normalen und besessenen Menschen feststellen, was den Kampf gegen die Monster zusätzlich erschwert.

Doch bei zumindest einem Menschen hat die Übernahme nicht ganz funktioniert: Die junge Jeong Su-in (Jeon So-nee) wehrte sich gerade gegen einen Vergewaltiger, als der Parasit in sie eindrang, so dass dieser sich entscheiden musste: Entweder die schwer verletzte Su-in heilen, mit dem Preis, ihr Wesen nicht vollständig übernehmen zu können oder Su-in sterben zu lassen und mit dem Wirt zu Grunde gehen. Und da offenbar auch der Parasit – der bald den Namen Heidi annimmt – offenbar einen starken Überlebenswillen besitzt, entschied sich Heidi dafür, in einer symbiotischen Beziehung mit Su-in zu leben.

Im Gegensatz zur „Beziehung“ von Eddie Brock und Venom, die zum selben Zeitpunkt wach sein können, ist im Fall von Su-in und Heidi jedoch stets nur eine bei Bewusstsein. Anfangs schreibt Su-in noch Fragen an Heidi in ihr Tagebuch, die am nächsten Morgen beantwortet sind, später wird man abwechselnd zwei Inkarnationen sehen, die völlig unterschiedliche Verhaltensweisen an den Tag legen.

Auch hier variiert „Parasyte: The Grey“ wenig mehr als bekannte Muster, zeigt eine Außenseiterin, eine Mutantin, die ihre Fähigkeiten, ihren Fluch vor der „normalen“ Mehrheitsgesellschaft verstecken muss, die von beiden Seiten gejagt wird: Von Teilen der Spezialeinheit The Grey, aber auch von den Monstern, denn von beiden wird sie als Bedrohung gesehen.

Doch wie schon in seinen Zombie-Filmen gelingt es Yeon Sang-ho eine konventionelle Geschichte mit rasanten, spektakulären Bildern zu überhöhen. Er variiert den typischen glatten Look, der in den letzten Jahren zum Markenzeichen von koreanischen Genre-Erzählungen im Kino und bei Streamern wurde, spart nicht an harten Body-Horror-Szenen, bei denen Köpfe und Körper sich öffnen, um die tentakelhaften, blutrünstigen Parasiten loszulassen, dazu First-Person-Shooter-Szenen, in denen Jagd auf die Monster gemacht wird. Als Unterbau sorgen gesellschaftskritische Momente über Kulte, den Verlust der Individualität und der Empathie mit Außenseitern für eine gewisse Substanz, die in Kombination mit dem rasanten Stil zu einer weiteren sehr sehenswerten Serie aus Korea führt.

Parasyte: The Grey • Gisaengsu: Deo Geurei • Südkorea 2024 • Regie: Yeon Sang-ho • Darsteller: So-nee Jeon, Kyo-hwan Koo, Lee Jung-Hyun, Hae-hyo Kwon • sechs Folgen, jetzt bei Netflix

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