8. April 2024

Nick Fuller Googins: „Der Plan zur Rettung der Welt“

Ein großer Climate-Fiction-Roman zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Lesezeit: 4 min.

Der amerikanische Schriftsteller Nick Fuller Googins (im Shop) aus Maine arbeitet hauptberuflich als Grundschullehrer. Seine Kurzgeschichten und Essays erschienen indessen bereits in „The Paris Review“, „Men’s Health“, „The Sun“, „The Los Angeles Times“, „The Southern Review“ und anderen Publikationen. Mit „Der Plan zur Rettung der Welt“ (im Shop) hat der 1983 geborene Fuller Googins nun seinen ersten Roman vorgelegt – und dabei direkt ein Werk der brandaktuellen Climate Fiction geschaffen, das wir fortan in einem Atemzug mit Must-Reads wie „Biokrieg“ von Paolo Bacigalupi (im Shop) und „Das Ministerium für die Zukunft“ von Kim Stanley Robinson (im Shop) nennen, feiern, empfehlen werden. Und zwar am Besten bei jeder Gelegenheit, und weit über das Genre hinaus …

Denn bei Googins geht alles um den Großen Übergang, der seinem Roman im Original auch dessen Titel („The Great Transition“) gegeben hat. Letztlich steht der Große Übergang für die Zeit, da ein Großteil der Menschheit ihren Gemeinschaftssinn entdeckt und die Ärmel hochgekrempelt hat, um die Klimakrise aktiv und zielgerichtet zu bekämpfen. Der arktische Eisschild ist gefallen, Städte werden geflutet, die Wälder brennen überall lichterloh, aber man stemmt sich mit vereinten Kräften gegen den Kollaps. Am Ende schafft es die Menschheit, unter großem Einsatz und großen Verlusten: Die Kohlendioxid-Emissionen gehen auf Null, Flutbrecher schützen die Städte, saubere Energie kommt aus sturmgeladenen Turbinen und Batterien, und die Lebensräume wurden neu aufgeteilt, damit sich die Natur dazwischen erholen kann, wobei man via Aufforstung kräftig nachhilft.

Emi, die mit ihren Eltern Larch und Kristina in Grönlands Hauptstadt Nuuk lebt, kennt nur ihre klimaneutrale neue Welt. Doch ihre Mutter und ihr Vater haben für diese Welt gekämpft, gelitten, geblutet: Als Klimageflüchtete, als Waisen, als Fire Fighter im Waldbrandgebiet, als Rückbauarbeiter in New York City, und während der Streiks und Unruhen, die den Großen Übergang erst auf den Weg brachten. Larch ist bereit, sich und seine Tochter das sanfte Leben genießen zu lassen. Doch Kristina, schon immer eine große Kämpferin, traut dem Frieden nicht. Denn diejenigen, welche die Welt schon einmal mit ihrer Gier in den Abgrund gestürzt haben, sind immer noch da – und inzwischen teilweise wieder am Drücker. Als anlässlich der Feierlichkeiten zur erfolgreichen Klimawende Attentate auf mehrere Klimaverbrecher früherer Tage verübt werden, wird die Familie von einem Moment auf den anderen zerrissen. Kristina taucht unter, und Larch und Emi müssen sie suchen. Und werden selbst gesucht …

Nick Fuller Googins’ „Der Plan zur Rettung der Welt“ ist 2024 mit Sicherheit der Roman zu dem Thema (ich schreibe diese Zeilen an einem April-Wochenende mit Temperatur-Rekorden, die zusammen mit anderen akuten Faktoren alle pessimistischen Klimamodelle sogar über den Haufen werfen). Der Roman brilliert nicht zuletzt, weil er Dystopie und Utopie im Kontext der Klimakatastrophe genauso plausibel bzw. gekonnt vermischt wie Verzweiflung und Hoffnung, Kampf und Friede, Untergang und Neuanfang, Grauen und Faszination. Fuller Googins erschafft in seiner packenden Geschichte eine glaubwürdige Welt davor, dabei und danach – in der Krise, im Umbruch, und nach der Krise. Doch er macht genauso deutlich, dass der Klimawandel, die Klimakrise, ein Konflikt der Generationen und der Systeme ist und bleibt – und wie unsere Mindsets auf so eine unwirklich gewaltige Bedrohung reagieren. Und wie wir uns selbst im Weg stehen (anders als in der nahen Zukunft seines Romans irgendwann).


Nick Fuller Googins. Foto © Amelia Mulkey

Hinzu kommt, dass „Der Plan zur Rettung der Welt“ stilistisch ganz und gar exorbitant geworden ist, muss man einfach so ausdrücken: Nick Fuller Googins schreibt absolut hochklassig, und sein Verzicht auf Anführungszeichen dürfte ein Gruß in Richtung Cormac McCarthy sein. Um alle Ebenen und Handlungsfäden des Kampfes gegen die Zerstörung unseres Planeten und für die bessere neue Welt zu verbinden, nutzt der Amerikaner die junge, psychisch angeschlagene Emi und den bequem gewordenen Veteran Larch als Erzählperspektiven. Dazu kommen Interviews, die Emi für ein Schulprojekt mit ihrer Mutter führt, und die ihre Lehrerin teilweise schon mit Anmerkungen versehen hat.

Ein besonderer, schonungsloser, beeindruckender, überragender Roman zu einem Thema, das uns alle angeht, selbst wenn wir lieber die Augen davor verschließen, den Kopf in den Sand stecken würden – und nach dessen Lektüre man nicht weiß, ob man nun noch verzweifelter sein soll, oder sich tatsächlich ein bisschen Hoffnung erlauben mag.

Nick Fuller Googins: Der Plan zur Rettung der Welt • Roman • Aus dem Amerikanischen von Thomas Salter • Heyne, München 2024 • 448 Seiten • Erhältlich als Hardcover und eBook • Preis des Hardcovers: 22,00 € • im Shop

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Christian Endres berichtet seit 2014 als Teil des Teams von diezukunft.de über Science-Fiction. Er schreibt sie aber auch selbst – im Mai 2024 erscheint bei Heyne sein SF-Roman „Wolfszone“.

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