6. Mai 2024

Mäusegehirne erforschen den Weltraum

Über ein Problem, das wir unbedingt lösen müssen – bevor wir zu den Sternen aufbrechen

Lesezeit: 4 min.

Vielleicht lesen Sie die wissenschaftliche Zeitschrift Nature Metabolism besonders aufmerksam – oder auch nicht.

Ich weiß, dass ich dies in letzter Zeit nicht mehr getan habe. Früher war ich ein treuer Abonnent, da ich gerne über alle Kontroversen auf dem Gebiet des menschlichen Stoffwechsels auf dem Laufenden bin, aber schändlicherweise habe ich mein Abo auslaufen lassen.

Trotz seiner vielen Qualitäten ist Nature Metabolism keine Publikation, die einen großen Einfluss auf die Raumfahrt hat. Zu den jüngsten Veröffentlichungen dort gehören „Multifaceted mitochondria: Moving mitochondrial science beyond function and dysfunction“ oder „Metabolic landscape of the male mouse gut identifies different niches determined by microbial activities“. Spannende Lektüre, zugegeben, aber kaum geeignet, in dieser Kolumne erwähnt zu werden.

Doch das hat sich geändert. Denn eine der neuen Nature Metabolism-Arbeiten – „Induction of a torpor-like hypothermic and hypometabolic state in rodents by ultrasound“, falls es Sie interessiert – hat absolut gigantische Auswirkungen auf die Zukunft der Raumfahrt. Einfach ausgedrückt: Wissenschaftlern ist es gelungen, bei Nagetieren einen Zustand des Winterschlafs herbeizuführen.

Die Forscher gruben sich tief in die Gehirne von Mäusen ein, um ganz bestimmte Neuronen zu isolieren – nämlich jene, die die Körpertemperatur und, Sie werden staunen, den Stoffwechsel regulieren. Dann setzten sie den Mäusen winzige Helme auf und schickten Ultraschallimpulse in ihre Gehirne, die auf diese Neuronen gerichtet waren.

Die Körpertemperatur der Mäuse sank innerhalb einer Stunde um drei Grad Celsius. Ihre Herzfrequenz ging runter, ebenso wie ihr Stoffwechsel. Entscheidend aber ist, dass die Wissenschaftler sie mit regelmäßigen Impulsen am Leben erhalten und – noch wichtiger – wieder aufwecken konnten. Wir sprechen hier von Winterschlaf, und zwar bei Tieren, die normalerweise keinen Winterschlaf halten.

Sie können sich vermutlich denken, worauf das hinausläuft.

Die Gehirne von Nagetieren interessieren uns nicht wirklich. Wir interessieren uns für menschliche Gehirne. Und eines der Dinge, für die die Langstreckenraumfahrt absolut tödlich ist, ist das menschliche Gehirn. Das Problem ist, dass alle Reisen über, sagen wir, den Mars hinaus verdammt lange dauern. Jahre und Jahrzehnte. Menschen, die während dieser Zeit wach bleiben, werden völlig verrückt. Als Beweis gebe ich Ihnen jede Geschichte, die über ein Kolonieschiff geschrieben wurde – Sie wissen schon, die, in der nur Ihre Nachkommen tatsächlich Proxima Metabalistico oder was auch immer sehen werden. Finden Sie eine Geschichte, in der es nicht um fleischfressende Weltraumkulte und einen schiffsweiten Bürgerkrieg geht, und ich finde eine Maus, die die ISS steuern kann.

Die naheliegende Lösung ist, Menschen ins künstliche Koma zu versetzen, und das ist eher eine schlechte Idee. Menschen mögen es nicht, im Koma zu liegen. Genauer gesagt: Menschliche Gehirne mögen das nicht. Sie werden zu Brei, was bedeutet, dass sich die Bewohner von Proxima Metabalistico ziemlich erschrecken werden, wenn sie von einem Haufen sabbernder Affen überfallen werden, die nicht einmal ihre Augen öffnen können.

Das ist ein so schwieriger Punkt, dass die meisten Science-Fiction-Filme ihn einfach übergehen. Erinnern Sie sich an Alien? Wie die Besatzung friedlich in ihren Kapseln liegt und aufgeweckt wird, als ominöse Notsignale den Schiffscomputer erreichen? In diesem und allen anderen Filmen, in denen solche Kapseln vorkommen, wird eher verschwiegen, wie sie funktionieren.

Sogar Andy Weir, meines Erachtens einer der besten Science-Fiction-Autoren der Gegenwart, hatte damit Probleme. In seinem Roman „Der Astronaut“ (übrigens eine fabelhafte Geschichte, lesen Sie sie!) ist einer der Hauptpunkte der Handlung, dass sein Protagonist Ryland Grace das „Gen“ besitzt, um künstliche Komas zu überleben. Was natürlich absoluter Unsinn ist – aber grundlegend dafür, dass die ganze Geschichte zusammenhält.

In Nature Metabolism jedoch wird – vielleicht zum ersten Mal – ein Weg aufgezeigt, wie wir Menschen tatsächlich in einen künstlichen Schlaf versetzen können. Der Schlüssel wird sein, wie lange sie dort bleiben können. Ein entsprechendes System muss Testpersonen mindestens ein Jahrzehnt lang gesund und munter halten und eine sehr niedrige Ausfallquote haben. Denn wenn Sie nicht absolut sicher sind, dass dieses Verfahren funktioniert, ist es ein bisschen spät, es zu korrigieren, wenn Sie erst einmal auf der anderen Seite der Galaxis sind und nicht einmal Ihre eigenen Schnürsenkel zubinden können. Außerdem müsste der Schiffscomputer so unfehlbar sein, wie es nur geht. Ein einziger Fehler, ein einziger verpasster Impuls in die Gehirne der kostbaren Fracht, und schon ist es aus mit Lt. Ripley.

Ganz offensichtlich sind wir noch sehr weit davon entfernt, eine solche Technologie einzusetzen. Eine vielversprechende Mäuse-Studie macht noch keinen langen Raumflug. Aber wir sind auf dem Weg dorthin, und wenn wir wirklich über den Mond und den Mars hinauswollen, dann müssen wir dieses Problem eher früher als später lösen.
 

Rob Boffard wurde in Johannesburg geboren und pendelt als Autor und Journalist zwischen England, Kanada und Südafrika. Er schreibt unter anderem für „The Guardian“ und „Wired“. Seine Romane „Tracer“ (im Shop), „Enforcer“ (im Shop) und „Verschollen“ (im Shop) sind im Heyne-Verlag erschienen. Alle seine Kolumnen finden Sie hier.

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